2.4.1 Die Verallgemeinerung der klassischen Thermodynamik



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2.4.1 Die Verallgemeinerung der klassischen Thermodynamik

Aussagen der klassischen Thermodynamik beziehen sich auf Gleichgewichtszustände und reversible Vorgänge. Reversibel sind nur solche Prozesse, welche unendlich langsam geführt werden. Wenn Prozesse sehr langsam ablaufen, kann man sie als idealisierte, quasistatische Prozesse, als Abfolge von Gleichgewichtszuständen betrachten. Das eigentliche Kriterium der Reversibilität besteht darin, daß man auf den vorgegebenen Prozeß den im umgekehrten Sinne durchlaufenen Prozeß in solcher Weise folgen lassen kann, daß keine Änderungen irgendwelcher Art in der Umgebung zurückbleiben [180]. Wirkliche (nicht ideale) Vorgänge sind stets mit endlicher Geschwindigkeit verlaufende irreversible Prozesse, Ausgleichsvorgänge gestörter Gleichgewichte.

Die irreversible Thermodynamik stellt als Thermodynamik des Nichtgleichgewichts einen formalen Rahmen für die makroskopische Beschreibung irreversibler Prozesse dar. Sie ist eine phänomenologische, aber logisch selbständige Theorie der Vorgänge in kontinuierlicher Materie, die sich für quasistatische Prozesse in diskontinuierlichen Systemen auf die klassische Thermodynamik (Thermostatik) reduziert.

Die Methoden der irreversiblen Thermodynamik erlauben die Herleitung eines vollständigen Systems von Bedingungsgleichungen für komplexe Transportphänomene. Die Universalität dieser Methode beruht auf der Universalität ihrer Grundlagen, den Hauptsätzen der Thermodynamik. Ein besonderer Vorteil der irreversiblen Thermodynamik ist, nicht nur einfache irreversible Prozesse wie z.B. Wärmeleitung, innere Reibung, Diffusion oder chemische Reaktionen zu erfassen, sondern auch alle Kreuzeffekte zwischen den Einzelprozessen konsistent zu beschreiben.

Die klassische Thermodynamik ist auf diskontinuierliche Systeme beschränkt. Ihre Zustandsvariablen sind unabhängig vom Ort [86]. Damit im Rahmen der irreversiblen Thermodynamik eine einheitliche Beschreibung mechanischer, elektromagnetischer und thermischer Phänomene möglich wird, müssen lokale Zustandsvariablen eingeführt werden. Zustandsvariablen, die Feldvariablen, d.h. stetige Funktionen der Raumkoordinaten und der Zeit darstellen, erlauben die Beschreibung zeitlich veränderlicher, räumlich inhomogener, thermodynamischer Systeme. Allerdings müssen zu diesem Zweck die Hauptsätze der Thermodynamik des Gleichgewichts als Theorie des Kontinuums mit den Mitteln der Feldtheorie reformuliert werden.



Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995