3.9.2 Die Nettorekombinationsrate



next up previous contents
Next: 3.9.3 Die intrinsische Ladungsträgerkonzentration Up: 3.9 Physikalische Parameter Previous: 3.9.1 Die Ladungsträgerbeweglichkeit

3.9.2 Die Nettorekombinationsrate

Im Halbleiter werden aufgrund der thermischen Anregung ununterbrochen Elektron-Loch-Paare generiert. Der zur Trägererzeugung inverse Prozeß, die Trägervernichtung ist gleich elementar wie die Trägergeneration. Im thermischen Gleichgewicht kompensieren sich Generations- und Rekombinationsprozesse.

Der Parameter bezeichnet die Nettorekombinationsrate. Sie inkludiert Generations- und Rekombinationsprozesse, zählt jedoch nur den Rekombinationsüberschuß. Im thermischen Gleichgewicht ist null. Bei Ladungsträgerüberschuß überwiegen Rekombinationsprozesse (), bei Ladungsträgermangel Generationsvorgänge (). Rekombinationsprozesse versuchen Gleichgewichtsstörungen abzubauen. Im Gegensatz dazu stellt die Stoßionisation aufgrund hoher elektrischer Felder eine destabilisierende Generation von Ladungsträgern dar.

Generations- bzw. Rekombinationsprozesse stellen Bandübergänge dar, die zu Änderungen der Trägerkonzentrationen in den Bändern führen. Damit sind Energieänderungen der Ladungsträger verbunden. Bei der Rekombination geht das Elektron von einem Zustand höherer Energie in einen Zustand niederer Energie über und scheidet als beweglicher Ladungsträger aus. Die Freisetzung der Differenzenergie ist mit verschiedenen physikalischen Mechanismen verknüpft. Sie kann zur Phononenerzeugung dienen (Anregung von Gitterschwingungen), Strahlung anregen (Photonenerzeugung) oder als kinetische Energie auf andere Träger übertragen werden (Augerprozeß). Je nach der Anzahl der beteiligten Energieniveaus spricht man von direkten bzw. indirekten (mehrstufigen) Übergängen.

Die wichtigsten Beiträge zur Nettorekombinationsrate in Silizium stammen von der Shockley-Read-Hall-Rekombination , Auger Rekombination und der Stoßionisation . Optische Übergänge haben in Silizium geringe Bedeutung und werden nicht berücksichtigt.

Die Shockley-Read-Hall-Rekombination beruht auf indirekten Phononenemissionsprozessen. Kristalldefekte oder Fremdatome, die keine Akzeptoren oder Donatoren darstellen, bilden Rekombinationszentren um die Mitte des verbotenen Bandes. Der Übergang vom Leitungsband zum Valenzband erfolgt zweistufig durch Elektroneneinfang im Rekombinationszentrum und Elektronenemission ins Valenzband und anschließender Rekombination mit einem Loch (Verschwinden eines Elektron-Loch-Paares). Die frei werdende Energie wird zur Anregung von Gitterschwingungen verwendet. Die Shockley-Read-Hall-Rekombination in Silizium hat folgende mathematische Form [153], [172], [168]:

 

bezeichnet die Elektronen-, die Löcherlebensdauer. Die Lebensdauer sinkt mit der Bruttodotierung, weil durch hohe Dotierung zusätzliche Rekombinationszentren entstehen [63], [64], [168]:

 

Indirekte Übergänge sind weitgehend von den Eigenschaften der Störstellen bestimmt. Diese können herstellungsprozeßtechnisch beeinflußt werden, sodaß , als sehr stark technologieabhängig betrachtet werden müssen. Die Parameter , hängen exponentiell von der Differenz zwischen der Energie der Rekombinationszentren und dem Ferminiveau des intrinsischen Halbleiters ab:

 

Wenn Rekombinationszentren (hauptsächlich) in der Bandmitte lokalisiert sind, folgt aus Gl. (3.121) wegen folgende Näherung:

Bei Shockley-Read-Hall-Rekombinationsprozessen in Silizium bleibt die Energie innerhalb des Halbleiters (innerhalb des Elektronen-Löcher-Phononensystems) erhalten [152].

Die Auger Rekombination beruht auf einem Dreiteilchenprozeß. Neben dem rekombinierenden Elektron-Loch-Paar ist noch ein drittes Loch oder Elektron beteiligt, auf das ein Teil der umgesetzten Energie in Form von kinetischer Energie übertragen wird. tritt deshalb bei hohen Ladungsträgerkonzentrationen aufgrund hoher Dotierung oder Hochinjektion in Erscheinung. Der Auger Prozeß erfolgt sowohl bei direkten Bandübergängen als auch bei indirekten, unter Vermittlung von Störstellen. Direkte Bandübergänge dominieren bei hohen Temperaturen, indirekte bei hohen Trägerkonzentrationen [153].

Indirekte Auger und Shockley-Read-Hall-Übergänge stehen in enger Wechselwirkung und sind schwer gegeneinander abgrenzbar. Es ist zweckmäßig nur direkte Auger Prozesse zu modellieren. Indirekte Auger Übergänge können zusammen mit erfaßt werden, wenn die Lebensdauer der Träger in Gl. (3.119) an geeignete Messungen angepaßt wird [64].

Bei direkten Auger Übergängen können vier Teilprozesse unterschieden werden. Ein Elektron kann vom Leitungsband ins Valenzband wechseln und einen Teil seiner Energie entweder an ein Elektron im Leitungsband oder ein Loch im Valenzband abgeben, bevor es im Valenzband rekombiniert. Umgekehrt kann ein Elektron des Valenzbandes die Energie eines Elektrons im Leitungsband oder eines Lochs im Valenzband konsumieren, um aus dem Valenzband ins Leitungsband zu gelangen. Im Valenzband bleibt ein Loch zurück. Die Nettorekombination in Silizium aufgrund dieser Prozesse ist [153], [168]:

 

, werden als Auger-Koeffizienten bezeichnet. Sie sind schwach temperaturabhängig [53], [168]:

 

Es ist bemerkenswert, daß die Art des Energieaustauschs bei Auger Prozessen Energieerhaltung innerhalb der Trägersysteme (innerhalb des Elektronen-Löchersystems) bedeutet [152].

In Silizium tritt bei hohen Feldstärken Stoßionisation auf. Wenn thermisch generierte Ladungsträger genügend Energie aus dem elektrischen Feld aufnehmen, können bei Kollisionen mit Atomrümpfen Bindungen aufgebrochen werden, sodaß freie Ladungsträger entstehen. Die neu erzeugten Ladungsträger können ihrerseits Elektron-Loch Paare erzeugen, sodaß es zu einem lawinenartigen Anwachsen der freien Ladungsträger kommt (Lawinendurchbruch).

Der Stoßionisationsprozeß ist ein reiner Generationsprozeß:

 

, werden als Ionisationsraten bezeichnet. Sie hängen exponentiell von der Komponente der elektrischen Feldstärke in Richtung der Stromdichte ab:

Die Ionisationsraten in Silizium können als Funktionen der Temperatur dargestellt werden, die experimentellen Daten angepaßt sind [46], [49], [147], [169]:

Wie bei der Auger Generation konsumiert auch bei der Stoßionisation das vom Valenzband ins Leitungsband wechselnde Elektron die Überschußenergie eines Elektrons oder Lochs. Im Gegensatz zur Auger Generation, die von der Ladungsträgerkonzentration abhängt, ist die Stoßionisation der Stromdichte proportional. Während Auger Generation bei verschwindendem Stromfluß in Gebieten hoher Ladungsträgerkonzentrationen auftreten kann, setzt Stoßionisation signifikante Stromdichten voraus [41], [168], [169]:

Die gesamte Rekombinationsrate wird als Summe der Einzelraten gebildet:

 

In Gl. (3.129) werden Wechselwirkungen der verschiedenen Rekombinationsmechanismen nicht berücksichtigt.



next up previous contents
Next: 3.9.3 Die intrinsische Ladungsträgerkonzentration Up: 3.9 Physikalische Parameter Previous: 3.9.1 Die Ladungsträgerbeweglichkeit



Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995