1.1 Begriffsbestimmung der Netzwerkanalyse



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1.1 Begriffsbestimmung der Netzwerkanalyse

Seit der ersten Verfügbarkeit von digitalen Rechenanlagen ist es das Bestreben von Elektrotechnikern Rechner nicht nur zu bauen sondern auch zum Entwurf von elektrischen Schaltungen - und damit von Rechnern selber - und zur Simulation des Verhaltens der Schaltungen einzusetzten. Durch die Komplexität der heute verwendeten Schaltungen und der Packungsdichte der eingesetzten integrierten Schaltungen sind Werkzeuge zur Entwicklung von integrierten Schaltungen und von gesamten Systemen nicht mehr wegzudenken.

Bevor diese Werkzeuge existierten wurden elektrische Schaltungen in folgenden Schritten entwickelt:

  1. Entwurf der Schaltung
  2. Ermittlung der Werte der einzelnen Bauelemente aufgrund der Erfahrung oder durch den Einsatz von bekannten oder abgeleiteten Regeln
  3. Versuchsaufbau der Schaltung
  4. Testen des Versuchsaufbaus; Verifikation des Verhaltens der Schaltung durch Messung der Signale in der Schaltung
  5. Bei Abweichungen vom gewünschten Verhalten Variation der Bauteilparameter solange bis die Schaltung den Erwartungen gemäß funktioniert
  6. Entwicklung des Gerätes für den praktischen Einsatz (die Produktion)
  7. Bau eines Prototyps
  8. Testen des Prototyps
  9. Entwurf solange abändern, bis das gewünschte Verhalten gegeben ist.
  10. Produktion der Schaltung bzw. des Geräts

Wenn man sich die Komplexität der heute erzeugten integrierten Schaltungen mit mehr als einer Million Transistoren pro Schaltung und die für die Erzeugung eines Halbleiterbauelements notwendige Zeit und Kosten vor Augen hält, ist einem klar, daß obige Methode nur mehr sehr beschränkt anwendbar ist. Ein Großteil der oben angeführten Aktivitäten wird heutzutage mit Unterstützung von elektronischen Rechenanlage durchgeführt. Der Entwicklungsingenieur kann so sehr schnell Auswirkungen von Änderungen der Schaltung erkennen und erspart sich auf diese Weise den oft sehr kostspieligen und aufwendigen Bau oder die Änderung von Versuchaufbauten oder Prototypen.

Diesen enormen Vorteil erkauft man sich jedoch auch durch einen Nachteil. In Versuchsschaltungen sind bereits sämtliche Nebeneffekte enthalten, die das Verhalten der Schaltung beeinflussen können, die bei der Simulation infolge der nicht exakten Modelle meist nicht berücksichtigt werden.

Der grobe Ablauf der Entwicklung einer integrierten Schaltung und einer Gesamtschaltung unter Einsatz von integrierten Schaltungen sind in den Abbildungen 1.1 und 1.2 dargestellt.

  
Abbildung 1.1: Entwicklung einer (digitalen) integrierten Schaltung

  
Abbildung 1.2: Entwicklung einer (digitalen) Schaltung

Während der einzelnen Phasen der Entwicklung werden folgende Hilfsmittel eingesetzt [116][114][101][91][64][40][39][16]:

Technologie-Simulation:
Simulation des Herstellungsprozesses von integrierten Schaltungen.
Bauelement-Simulation:
Simulation des Verhaltens eines einzelnen Transistors auf Grund der geometrischen Dimensionen und des verwendeten Herstellungsprozesses.
Bauelement-Modellierung:
Erstellung eines Models des elektrischen Verhaltens eines Transistors zur Verwendung während der Schaltungssimulation.
Schaltungssimulation:
Simulation einer Schaltung unter Verwendung von Bauelementmodellen.
Makro-Modellierung:
Erstellung von Modellen, die gewisse Gesichtspunkte eines Schaltungskomplexes (z.B. Operationsverstärker, Logikgatter) darstellen, ohne daß bei der Anwendung die Simulation der einzelnen Bauelemente des Schaltungskomplexes notwendig ist.
Timing-Simulation:
Simulation des zeitlichen Verhaltens einer Schaltung, unter Vernachlässigung von einer Reihe von anderen Eigenschaften (z.B. Strombedarf).
Logik-Simulation:
Simulation des digitalen Verhaltens einer Schaltung.
Optimierung:
Optimierung von Parametern einer Schaltung oder eines Herstellungsprozesses.
Layout:
Platzierung und Verdrahtung der einzelnen Bauelemente.
Fehlersimulation:
Simulation des Verhaltens der Schaltung bei Fehlern im Aufbau (zu große Bauteiltolleranzen, etc.).

Die drei Hilfsmittel Schaltungssimulation, Timing-Simulation und Logik-Simulation werden auch oft zu einer Hybrid-Simulation zusammengefaßt [40].

Zum Abschluß der Einleitung noch eine Begriffsbestimmung einiger immer wieder auftretender Begriffe [136]:

Analyse:
Teilung eines Ganzen in seine einzelnen Komponenten.
Untersuchung eines Komplexes, seiner Teile und ihrer Relationen um neue Erkenntnisse zu erlangen.

Simulation:
Nachahmende Darstellung der Funktion eines Systems oder Vorgangs mit Hilfe der Funktion eines anderen.
Untersuchung eines Problems, das mit vertretbarem Aufwand nicht experimentell behandelt werden kann.

Modellierung:
Erstellen einer Darstellung oder einer Simulation eines Problems oder Prozesses.
Erstellen einer Beschreibung oder Analogie um etwas darzustellen, das mit vertretbarem Aufwand nicht direkt beobachtet werden kann.

Anders ausgedrückt ist die Analyse eine exakte, während eine Simulation eine näherungsweise Behandlung eines physikalischen Vorgangs ist.

JANAP ist nach dieser Nomenklatur eindeutig ein Programm zur Simulation des Verhaltens eines elektrischen Netzwerks. Trotzdem wird in den folgenden Kapiteln sehr oft auch der - falsch angewendete - Begriff Analyse verwendet, da diese Bezeichnung in dem jeweiligen Zusammenhang die gängige Formulierung ist.



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Martin Stiftinger
Fri Jun 9 19:49:39 MET DST 1995