9.1 Die Anfangslösung



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9.1 Die Anfangslösung

Im Gegensatz zu einem Programm, das aufgrund der im Vorhinein vorhandenen Kenntnis über das Funktionsprinzip des zu simulierenden Bauelements (z. B. MINIMOS im Fall des MOS-Transistors) aus analytischen Formeln eine geeignete Anfangslösung bestimmen kann, ist ein solches Vorgehen bei einem allgemeinen Simulator schwierig.

Die Anfangslösung sollte Kontaktdotierungen, Raumladungszonen und Kanalzonen gut beschreiben. Die im folgenden vorgestellte Anfangslösung kann auf die Dotierungsverhältnisse im Halbleiter selbst eingehen; ein eventueller Kanal wird allerdings völlig ignoriert. Das bedeutet, daß der Kanal erst während der nichtlinearen Iterationen aufgebaut wird. Darin besteht ein Nachteil gegenüber Programmen, die spezifisch auf bestimmte Bauelemente eingestellt sind. Eine einfache Möglichkeit, in einem allgemeinen Simulator Anfangslösungen zu verwenden, die den Kanal beschreiben, ist jedoch nicht bekannt, und komplizierte Lösungen rechtfertigen den Aufwand nicht, da durch eine verbesserte Anfangslösung bestenfalls einige Iterationen am Beginn des nichtlinearen Lösungsprozesses eingespart werden können.

Folgende Kriterien kennzeichnen eine gute Anfangslösung:

  1. Sie beschreibt den Gleichgewichtsfall gut.
  2. Sie ist hinreichend glatt.
  3. Sie weist keine übergroßen Residuen in einzelnen Gleichungstypen auf.
Der zweite Punkt ist besonders im Hinblick auf die Stromdiskretisierung wichtig. Dabei müssen BERNOULLI-Funktionen (3.39) von Potentialdifferenzen ausgewertet werden. Das endgültige Potential ist als Lösung einer Differentialgleichung eine glatte Funktion, bei der die Argumente der BERNOULLI-Funktionen genügend klein sind, sodaß eine Auswertung im Rahmen der maschinendarstellbaren Zahlen problemlos möglich ist. Zudem wird eine starke Potentialänderung in den Kontinuitätsgleichungen oft durch gegensätzlichen Verlauf der Ladungsträgerkonzentrationen abgeschwächt. Bei Anfangslösungen, die ohne gute Bauelementmodelle erstellt wurden, liegen oft sprunghafte oder sehr steile Potentialgradienten vor. Dadurch kommt es in manchen Fällen zu besonders großen Argumenten der BERNOULLI-Funktionen. Diese führen zu extremen Größenunterschieden in den Matrixelementen, wodurch die Kontinuitätsgleichungen besonders schlecht konditioniert oder numerisch sogar singulär werden können.

Die Anfangslösung, die im Simulator implementiert wurde, entspricht in den Gleichungen der Formulierung (6.12), (6.14), (6.16) für den Ohmschen Kontakt, mit dem Unterschied, daß nicht nur Randboxen des Simulationsgebiets, sondern alle Boxen dadurch erfaßt werden, und daß der Beitrag des Kotaktpotentials einfach weggelassen wird. Diese Anfangslösung erfüllt folgende Bedingungen:

  1. Alle Boxen sind ladungsneutral.
  2. Alle Ladungsträger haben durchwegs das Ferminiveau Null.
  3. Alle Ladungsträger sind auf Gittertemperatur.
Durch das konstante Ferminiveau sind die Kontinuitätsgleichungen erfüllt, und es fließt kein Strom. Auch die Energiestromgleichungen sind damit implizit erfüllt. Die Poissongleichung ist dagegen verletzt; es gibt zwar jene Potentialschwankungen, die für das Verschwinden des Stroms erforderlich sind, es gibt aber keine Raumladungen, die diese Potentialschwankungen bewirken. Dadurch muß in Raumladungszonen die Gesamtlösung noch eine kleine Schwankung ausführen, um den Gleichgewichtsfall zu erreichen. Trotzdem wird der Potentialübergang an Raumladungszonen durch das built-in-Potential gut wiedergegeben.

Der Aufbau des Kanals und die Anpassung an Kontaktpotentiale muß allerdings erst erfolgen. Bei den Kontaktpotentialen macht sich die spezielle Struktur des Gleichungssystems günstig bemerkbar: Manchmal ist es bei Anfangslösungen ein Problem, daß in der Randbox eines Kontakts schon das Kontaktpotential angelegt ist, wogegen in der nächsten Box im Inneren des Halbleiters das Kontaktpotential ignoriert wird (Bild 9.1, b). In diesen Fällen kann es durch die große Potentialdifferenz der beiden Boxkontrollpunkte zu den schon erwähnten großen Argumenten der BERNOULLI-Funktionen der Kontinuitätsgleichungen kommen. Bei der hier gewählten Implementierung (Bild 9.1, a) ist das Potential in der Randbox eine andere Variable als das Potential des Kontakts selbst. Dadurch ist zwar am Anfang die Randbedingung für das Potential der Randbox nicht erfüllt, aber das wird durch die nachfolgenden Iterationen automatisch angeglichen. Das Potential im Halbleiter selbst weist jedoch keine besonders großen Sprünge auf, daher ergeben sich BERNOULLI-Koeffizienten in normalen Größenordnungen.

 



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Martin Stiftinger
Fri Oct 21 18:22:52 MET 1994