2.1.2 Gültigkeit der Boltzmanngleichung



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2.1.2 Gültigkeit der Boltzmanngleichung

Als Transportgröße der Boltzmanngleichung werden die Träger der elektrischen Ladung im Festkörper angesehen [18]. Die Boltzmanngleichung soll also die Bewegung von Löchern im Valenzband als auch die der Elektronen im Leitfähigkeitsband näherungsweise als verdünntes Gas beschreiben. Man nimmt an, die Ladungsträgerzustände entsprechen einem quasifreiem Ladungsträgergas (Elektronengas). Nichtstationäre Effekte werden durch Verletzung der idealen Kristallstruktur hervorgerufen. Dazu zählen ionisierte Störstellen, Gitterschwingungen und andere Wechselwirkungen der Ladungsträger mit der Gesamtheit des betrachteten Systems. Jedoch wird angenommen, daß aufgrund dieser physikalischen Effekte nur ein schwacher, nicht allzu häufig auftretender Streuprozeß verursacht wird [19].

Die Streuraten sollen von einer äußeren Kraft unbeeinflußt sein und nur Auswirkungen auf die Dynamik aufgrund eines Impuls- und Energieübertrages und einer damit verbundenen Richtungsänderung der Ladungsträger haben. Alle anderen möglichen Arten von Wechselwirkungen mit der Kristallstruktur seien unterbunden. Im Falle des elektrischen Transports wird diese Kraft durch elektromagnetische Felder verursacht.

Eine weitere wichtige Bedingung ergibt sich daher, daß makroskopische Systeme untersucht werden, deren räumliche Ausdehnung groß ist. Die Zeit , die Ladungsträger beanspruchen, während sie dem Einfluß einer Wechselwirkung unterliegen, muß klein im Gegensatz zur mittleren freien Flugdauer sein. Sonst ist ein Einfluß der Streuraten aufgrund des elektrischen Feldes nicht ausgeschlossen. Ebenso muß die mittlere Verweildauer dieser Teilchen im Halbleiterbauteil groß gegenüber der jeweiligen freien Flugdauer sein. Dies bedingt räumlich ausgedehnte Systeme, in denen eine Quantisierung aufgrund der Geometrie ausgeschlossen ist. Man kann folgende Ungleichung [20] für die Kollisionsdauer, der freien Flugdauer und der mittleren Verweildauer

angeben.

Damit ergibt sich auch, daß Ladungsträger viele Stöße in einem makroskopischen System erfahren. Jeder Streuprozeß kann innerhalb dieser Annahme als augenblicklich im Vergleich mit der freien Flugdauer angesehen werden. Die obige Gleichung impliziert auch, daß Kollisionen örtlich lokalisiert sind, also nur ein sehr kleines Raumgebiet beanspruchen. Mit diesen Annahmen ist auch gewährleistet, daß ein Impulsübertrag des elektrischen Feldes auf die Teilchen nur einen unwesentlichen Einfluß auf die Streuraten hat. Streuprozesse können also aufgrund der kurzen Kollisionszeiten nur wenig Impuls und Energie von den Ladungsträgern austauschen. Diese Folgerung stellt sicher, daß die dynamischen Größen den bestimmenden Einfluß auf die Transporteigenschaften eines Systems haben.

Unter diesen Bedingungen kann die Boltzmanngleichung (2.14) bei Kenntnis der zugrundeliegenden physikalischen Streuprozesse und der korrespondierenden mathematischen Beschreibung der daraus resultierenden Streuwahrscheinlichkeit von Gleichung 2.15 herangezogen werden, um einen irreversiblen, vom Gleichgewicht stark abweichenden Transportprozeß hinreichend genau zu modellieren. Da für die Dynamik der Ladungsträger, sowohl der Elektronen als auch der Löcher die Bandtheorie verwendet wird, muß also dasjenige elektrische Feld, das von einem äußeren, angelegten Potential hervorgerufen wird, klein im Gegensatz zu den Feldstärken des Kristallpotentials sein, da sonst eine Beeinflussung der Kristallstruktur in Betracht gezogen werden muß und sich die Bandstruktur ändert. Aufgrund einer starker Verzerrung der Elektronenbindungen im Kristall kann der sogenannte Starkeffekt [21] hervorgerufen werden, und Abweichungen von der Dynamik freier Teilchen treten auf. Wenn die magnetischen Felder groß sind, tritt Landauquantisierung [22] ein und zwingt die Ladungsträger zu einer Bewegung auf geschlossenen Bahnen, die ebenfalls nicht der Dynamik freier Teilchen unterliegen.

Eine weitere Näherung, die nicht explizit die Boltzmanngleichung betrifft, bezieht sich auf die Paargeneration und Rekombination [23]. Diese beiden Prozesse werden im Streuintegral 2.15 vernachlässigt, da man sonst ein Gleichungssystem für die Ladungsträger erhält, in dem die Verteilungsfunktionen der Elektronen und Löcher gekoppelt sind. Dies ist insoferne eine vertretbare Einschränkung, da die Monte-Carlo-Methode zumeist auf Bauelemente im eingeschalteten Zustand, in dem hohe Stromdichten auftreten, angewendet wird. Die Monte-Carlo-Methode ist zur Bestimmung des Sperrbereichs wenig geeignet, da Elektronen eine Barriere überwinden müssen und daher eine Erweiterung in Hinsicht auf Injektion über diese Schwelle erforderlich ist. Wie bereits im vorigen Kapitel angeführt worden ist, wird auch das Pauliverbot nicht berücksichtigt. Das bedeutet, daß Vielkörperwechselwirkungen die Verteilungsfunktion nicht beeinflussen dürfen, wie es bei hohen Trägerkonzentrationen gegeben ist.



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Martin Stiftinger
Mon Aug 7 18:44:55 MET DST 1995