3.1.1 Bandstruktur in Silizium



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3.1.1 Bandstruktur in Silizium

Die Bandstruktur von Silizium und die möglichst allgemeine Implementierung in einem Monte-Carlo-Programm ist ganz entscheidend für die physikalische Aussagekraft der ermittelten Ergebnisse. Einerseits ist die Bandstruktur im allgemeinen anisotrop und setzt sich aus mehreren Bändern sowohl des Valenz- als auch des Leitfähigkeitsbandes zusammen und erfordert bei einer vollständigen Berücksichtigung der Dynamik einen sehr hohen Speicherbedarf und einen erhöhten Rechenbedarf zur Lösung der Bewegungsgleichungen, da stets in Richtung des elektrischen Feldes interpoliert werden muß. Andererseits muß man, um den Hochenergieanteil der Elektronen möglichst genau bestimmen zu können, die Aufspaltung in einzelne Bänder berücksichtigen. Die Bandstruktur beeinflußt nicht nur die Dynamik der einzelnen Ladungsträger, sondern darüberhinaus hängen auch die Streuraten von dem quantitativen Verhalten der Zustandsdichte ab.

Wenn das Verhalten von Elektronen nur bei kleinen Energien untersucht werden soll, so ist es ausreichend, das Leitfähigkeitsband in der Umgebung dessen Minimums nach einer Taylorreihe zu entwickeln. Dabei erhält man folgende, parabolische Abhängigkeit der Energie vom Wellenvektor,

mit der effektiven Masse , die bei isotropen Materialeigenschaften als

gegeben ist. Wählt man nun das Minimum des Leitfähigkeitsbandes als relativen Bezugspunkt, so kann Null gesetzt werden. Eine sehr effiziente Erweiterung dieses Einbandmodells findet sich bei [53]. Mithilfe einer Störungsrechnung [53][54][55][56] kann folgende Näherung für die Energierelation

geschrieben werden, sodaß sich eine nichtparabolische Abhängigkeit ergibt. Die Konstante wird als Nichtparabolizitätskonstante bezeichnet und kann näherungsweise mit der Bandlücke zwischen den Valenzband und dem Leitfähigkeitsband

bestimmt werden.

In Silizium ist das Minimum des Leitfähigkeitsbandes nicht im Mittelpunkt der Brillouinzone lokalisiert. Man spaltet die effektive Masse des Elektrons in eine longitudinale und eine transversale Komponente auf, sodaß die Energie nun mit der Bandformfunktion als

 

geschrieben werden kann, wobei die effektive Masse nun als Tensor definiert ist,

Man kann also Gleichung 3.5 auch in Tensorschreibweise

angeben, wobei

 

 

 

 

Zur Berechnung von hochenergetischen Elektronen ist dieses Verfahren nicht geeignet. Entweder bezieht man die volle anisotrope Bandstruktur mit ein, oder man entwickelt analytische Mehrbandmodelle, die im wesentlichen die Merkmale der Zustandsdichte in Silizium enthalten. Damit erreicht man, daß zwar die Dynamik der Elektronen nur isotrop berücksichtigt wird, jedoch die Abgeschlossenheit der einzelnen Bänder in bezug auf den Wellenvektor erhalten bleibt. Da die Zustandsdichte

in die Streuraten eingeht, wird bei einem Einbandmodell im Hochenergiebereich die Streurate schwer überschätzt.

 

Ein analytisches Modell, das ein nichtparabolisches und drei parabolische Bänder auswertet, ist von R. Brunetti et al. [58] entwickelt worden. Die Nachbildung der Zustandsdichte mit mehreren, isotropen numerischen Bändern ist in [59] beschrieben. Ausgehend von dem Argument, daß, wenn man viele Elektronen mit einem Vielteilchen-Monte-Carlo-Algorithmus verfolgt, die Anisotropieeffekte einer Bandstruktur nahezu vernachlässigbar sind, beziehungsweise nicht stark ins Gewicht fallen, ist in [51][60] ein Verfahren dargestellt, mit dem sowohl die Zustandsdichte als auch die Ableitung der Energierelation numerisch behandelt wird. Dabei wird eine isotrope Gruppengeschwindigkeit zugleich mit einer isotropen Zustandsdichte

gelöst [51], wobei sich der Index auf ein Band bezieht. In dieser Gleichung ist die Multiplizität eines Bandes und ein Proportionalitätsfaktor. Da in dieser Darstellung zwei Differentialgleichungen für eine einzige Lösungsfunktion auftreten, sucht man mit einem willkürlichen Gewichtsfaktor eine Lösung derart, daß der relative Fehler minimiert wird. Man muß also diesen Fehler in der folgenden Beziehung mit der realen Zustandsdichte und Gruppengeschwindigkeit

 

mit den zusätzlichen Bedingungen minimieren:

Dabei wird jedes Band in zwei Subbänder unterteilt, wobei eines der Lösung mit und eines dem Fall entspricht.

 

 

Die Anordnung von Silizium in der Einheitszelle eines kubisch flächenzentriertem Gitter ist in Abbildung 3.1 veranschaulicht. Die Brillouinzone eines kubisch flächenzentrierten Gitters ist in Abbildung 3.2 mit den wichtigsten Symmetriepunkten und -achsen dargestellt und aus [41] entnommen. Der Punkt repräsentiert den Mittelpunkt, lateinische Buchstaben einzelne Punkte an der Begrenzungsfläche und die griechischen Symbole stehen für die Symmetrieachsen. Die Koordinate des Punktes beträgt mit der Gitterkonstanten . Eine anisotrope Vollbandstruktur und ein isotropes, aus sechs kugelsymmetrischen Leitfähigkeitsbändern bestehendes Mehrbandmodell, dessen Gewichtsfaktor beträgt, sind in Abbildung 3.3 und 3.4 gegeben. Die Daten einer anisotropen Bandstruktur mit empirischen Pseudopotentialen für eine kubisch flächenzentrierte Symmetrie von Silizium sind [57][61] entnommen. Eine genaue Diskussion, inwieweit Spin-Bahn-Kopplung, nichtlokale Pseudopotentiale oder Hybridisierung die Bandstruktur beeinflussen, findet sich in [62][63][64]. Eine Zusammenfassung von Bandstrukturberechnungen von verschiedenen kristallinen und amorphen Materialien ist in [65] gegeben.

Die Zustandsdichte und die Gruppengeschwindigkeit verschiedener Modelle für die Bandstruktur sind in Abbildung 3.5 und 3.6 verglichen. Dabei sind diese Größen mit einem einzelnen parabolischen, einem einzelnen nichtparabolischen Bandmodell, einem isotropen Mehrbandmodell als auch mit einem anisotropen Vollbandmodell [66] berechnet worden. Bei den Einbandmodellen ist die effektive Masse als mit und gegeben [23][41]. Zusätzlich beträgt die Nichtparabolizität . Es zeigt sich, daß ein parabolisches Band nur im Minimum des jeweiligen Bandes mit einem realen Bandmodell übereinstimmt. Eine Erweiterung auf Nichtparabolizität kann bis zum ersten Maximum bei ungefähr der tatsächlichen Zustandsdichte als geeignete Näherung verwendet werden. Die Gruppengeschwindigkeit wird deutlich unterschätzt, je größer die Nichtparabolizität gewählt wird, da im Gegensatz zum parabolischen Einbandmodell noch ein zusätzlicher Divisor auftritt,

Eine gute Näherung sowohl für die Zustandsdichte als auch für die Gruppengeschwindigkeit kann also nur dann erzielt werden, wenn der Nichtparabolizitätsparameter klein ist oder der effektiven Masse Tensoreigenschaften (Gleichung 3.8) zugeordnet werden. Hingegen wird bei einem isotropen Mehrbandmodell Zustandsdichte und Gruppengeschwindigkeit bis zu richtig reproduziert. Da bei der Berechnung des Hochenergieanteils der Elektronen die Zustandsdichte bei den Streuraten Eingang findet und auch die Gruppengeschwindigkeit des isotropen Mehrbandmodell mit der realen übereinstimmt, ist mit einem isotropen Mehrbandmodell ein vertretbarer Kompromiß zwischen numerischer Effizienz und physikalischer Genauigkeit gegeben.



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Martin Stiftinger
Mon Aug 7 18:44:55 MET DST 1995