6 Zusammenfassung und Ausblick



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6 Zusammenfassung und Ausblick

 

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Injektion und dem Transport von Ladungsträgern in MOSFET-Strukturen und gliedert sich im wesentlichen in drei Abschnitte, nämlich den Ladungstransport in Silizium und Siliziumdioxid mit der Monte-Carlo-Methode, eine quantenmechanische Ableitung der Injektion an einer Grenzfläche zweier verschiedener Materialien mit einer linear abfallenden elektrischen Potentialbarriere und Anwendungen im Fall eines homogenen stationären Injektionsexperiments einerseits und eines nMOS-Transistors andererseits.

Ausgehend von der Ableitung der Boltzmanngleichung wird die Gültigkeit dieser klassischen Transportgleichung und eine Erweiterung für eine semiklassische Beschreibung der Elektronen behandelt. Um den Ladungstransport in Silizium und die sich aufgrund der anisotropen Bandstruktur ergebende Hochenergieverteilung modellieren zu können, wird ein Monte-Carlo-Programm verwendet, in dem die Zustandsdichte und die Gruppengeschwindigkeit derart angepaßt sind, sodaß die wichtigsten Charakterzüge einer Vollbandstruktur enthalten sind. Da ferner die Streuparameter der nichtpolaren optischen Inner- und Zwischentalstreuung nur im Minimum des jeweiligen Bandes bestimmt sind und ihre Energieabhängigkeit jedoch vernachlässigt wird, sind diese bei höheren Leitfähigkeitsbändern als frei wählbare Parameter anzusehen. Dennoch kann die energetische Verteilungsfunktion zufriedenstellend wiedergegeben werden.

Zur Berechnung des Transportverhaltens physikalischer Observabler in Siliziumdioxid ist ein Monte-Carlo-Programm entwickelt worden, das die wichtigsten physikalischen Eigenschaften dieses Gate-Isolators wiedergibt. Streuprozesse mit polar-optischen Phononen, die wegen der coulombartigen Wechselwirkung der Silizium-Sauerstoffbindungen bei niedrigen Elektronenenergien für den hohen Energieverlust der Elektronen verantwortlich sind, verhindern einen dielektrischen Zusammenbruch. Bei höheren elektrischen Feldern tragen nichtpolare akustische Phononen zur Stabilisierung des Elektronentransports bei.

Um die Transmissionswahrscheinlichkeit von Elektronen in Siliziumdioxid zu ermitteln, wird entlang der Si/SiO-Grenzfläche ein einfaches, lineares Potentialprofil angenommen. Die Injektion von Elektronen, also Tunneln und thermionische Emission können damit bestimmt werden, wobei die Welleneigenschaften der Elektronen nicht vernachlässigt werden. Der quantitative Einfluß verschiedener physikalischer Parameter, nämlich des elektrischen Felds, der effektiven Elektronenmasse und der Oxiddicke ist untersucht worden. Um den Übertritt von Elektronen von Silizium in Siliziumdioxid zu gewährleisten, werden geeignete Anschlußbedingungen postuliert, sodaß eine Monte-Carlo-Simulation in beiden Bereichen möglich ist.

Die Anwendung von Monte-Carlo-Simulationen zur Berechnung der Injektionswahrscheinlichkeit bei homogenen, stationären Bedingungen, zeigt ausgezeichnete Übereinstimmung mit den Meßergebnissen. Eine Erweiterung dieses Modells zur Simulation von Gate-Strömen für einen nMOS-Transistor ergibt, daß die Mehrheit der Elektronen nach dem -Übergang bei der Drain-Seite ins Oxid injiziert wird, obwohl das elektrische Feld in diesem Bereich sehr stark abnimmt. Da Degradationseffekte in Transistoren nicht auf intrinsische Materialeigenschaften zurückgeführt werden können, wird der qualitative Einfluß dieser Grenzflächeneffekte diskutiert und der Einfluß auf den Gate-Strom abgeschätzt.

Um eine realistische Modellierung der Gate-Ströme zu ermöglichen, sollten folgende Verbesserungen und Erweiterungen sowohl in physikalischer und numerischer Hinsicht vorgenommen werden. Heiße Ladungsträger im Substrat, also hochenergetische Elektronen, müssen mit einer anisotropen Vollbandstruktur modelliert werden. Dabei ist aber der Einfluß der einzelnen Streuparameter dahingehend zu modifizieren, daß in den Streuraten die Energieabhängigkeit dieser Parameter Eingang findet und die korrespondierende Wellenfunktion in der Übergangswahrscheinlichkeit berücksichtigt wird. Ferner sollte auch eine quantenmechanische Störungsrechnung höherer Ordnung durchgeführt werden, oder mit dem Formalismus der Selbstenergie Wechselwirkungen der Phononen untereinander, endliche Linienbreite bei hohen Gitteranregungen berücksichtigt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Streuparameter nur für das Minimum des Leitfähigkeitsbandes bestimmt.

 

Wenn die Transmissionsraten bezüglich der numerischen Effizienz und der Einfachheit der mathematischen Darstellung betrachtet werden, so ist die Fowler-Nordheim-Näherung ausreichend. Jedoch kann bei Approximationen, die nur auf der quantitativen Größe der Energie basieren, weder die Richtungsabhängigkeit der einfallenden Elektronenwelle noch die des Wellenvektors in einer konsistenten Betrachtung einbezogen werden. Man ist gezwungen, die Bandstruktureffekte an der Si/SiO-Grenzfläche zu vernachlässigen. In der Fowler-Nordheim-Näherung wird die Energie-Impuls-Relation der Wellenfunktion der Elektronen nicht benötigt, da nur die Energie des einfallenden Teilchens Eingang findet. Damit ist ein hoher Informationsverlust verbunden. Berechnung der Transmissionsraten unter quantenmechanischer Betrachtungsweise sollte bei Kenntnis der möglichen Energieniveaus in Silizium, Siliziumdioxid und des Gate-Materials Bandstruktureffekte als auch die Wellenfunktion konsistent berücksichtigen können. Um eine konsistente Schrödinger-Poisson-Kopplung an der Grenzfläche zu realisieren, ist ein hoher Aufwand in physikalischer Hinsicht erforderlich. Fischetti et al. [148] haben einen sogenannten scattering matrix approach vorgeschlagen, bei dem das Hauptaugenmerk auf der Analyse der Transmissionsraten liegt. Ferner wäre eine Erweiterung auf zweidimensionale, nichtkonstante elektrische Felder wünschenswert.

Grenzflächeneffekte und deren Einfluß in bezug auf Elektroneninjektion müssen gesondert modelliert werden. Einerseits ist dabei auf die örtliche Verteilung von Materialverunreinigungen wie ungesättigte Oxidbindungen oder Bildung einer positiven Grenzflächenladung zu achten, andererseits sind die mikroskopischen Grundlagen dieser Prozesse noch weitgehend unerforscht. Elektroneneinfang und -freisetzung an der Grenzfläche können bei Kenntnis der räumlichen Verteilung gemäß dem in Abbildung 6.1 vorgestellten nichtlinearen Potentialverlauf quantitativ berechnet werden, jedoch wäre es erstrebenswert, auch die mikroskopischen Grundlagen zu erarbeiten. Ob mit mikroskopischen Modellen für Defekte an der Grenzfläche und in Siliziumdioxid ein solches Potential näherungsweise ermittelt werden kann, ist Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten.

Der zugrundeliegende Prozeß für anomale positive Ladungsbildung an der Grenzfläche ist ebenfalls Anlaß von kontroversiellen Standpunkten. Einerseits wird Elektron-Plasmongeneration als Erklärung herangezogen [110], andererseits werden Silizium-Wasserstoffbindungen an der SiO-Gate-Grenzfläche aufgebrochen. Diese Wasserstoffionen werden zum Substrat beschleunigt und verursachen weitere Schäden im Oxid. Ebenso sollte eine mikroskopisch und experimentell fundierte Erforschung des sogenannten image force potential Aufschluß über die quantitative Erniedrigung der Potentialschwelle zwischen Silizium und Siliziumdioxid geben. Mit all diesen Effekten ist eine Potentialänderung verbunden, welche die Elektroneninjektion ins Oxid nachhaltig beeinflußt. Die Ausbildung einer sogenannten Inversionsschicht im Substrat hat nur geringen Einfluß auf die Hochenergieverteilung der Elektronen im Substrat [112], führt jedoch im Substratbereich nach Beginn des drain-seitigen pn-Übergangs zu einer quantitativen Änderung des transversalen Feldes.

Simulationen in Siliziumdioxid sind von der verwendeten Bandstruktur, die bei Monte-Carlo-Programmen besonders wichtig ist, abhängig. Da dünne Oxidschichten, wie sie in MOS-Strukturen als Isolator verwendet werden, amorphe Materialeigenschaften aufweisen, ist eine numerische Analyse der Bandstruktur notwendig. Ferner sollte die Energieabhängigkeit der nichtpolaren akustischen Phononenstreuung theoretisch untersucht werden. Zur Verbesserung der isolierenden Eigenschaften werden nitrierte Oxidschichten oder mehrschichtige Isolatoren, bestehend aus SiN und SiO verwendet. In der Literatur sind weder Bandstrukturberechnungen noch die wichtigsten physikalischen Streumechanismen aufgeführt, stattdessen wird nur die Ähnlichkeit dieser beiden Materialien erwähnt. Es treten eine oder mehrere zusätzliche Grenzflächen auf und erschweren eine quantitative Berechnung in numerischer Hinsicht.

Da die numerische Ermittlung von Gate-Strömen als auch das Degradationsverhalten eines Transistors von allen, in diesem Kapitel aufgezählten Prozessen stark beeinflußt wird, kann abschließend nur darauf hingewiesen werden, daß ein qualitatives und quantitatives Verständnis dieser beiden Effekte zur Weiterentwicklung von Submikrometer-MOSFETs unerläßlich sein wird. Inwieweit bei Simulationen alle Prozesse berücksichtigt werden können und welche Schwierigkeiten in numerischer Hinsicht damit verbunden sind, kann nur in zukünftigen Forschungsarbeiten geklärt werden.



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Martin Stiftinger
Mon Aug 7 18:44:55 MET DST 1995