1.5 Anforderungen an den Entwurf

Konventionelle Entwurfsverfahren für integrierte Schaltungen haben bisher nur danach getrachtet, die Chipgröße zu minimieren. Da sich der Einfluss der Verbindungsleitungen nicht mehr vernachlässigen läßt, wird nunmehr zunehmend auf andere Aspekte geachtet, wie Einhaltung von maximalen Verzögerungszeiten, Übersprechen unter einem bestimmten Pegel, Dämpfung des Signals und aufgrund von Zuverlässigkeitsüberlegungen eine Begrenzung der Stromdichte wegen Elektromigration.

Im Zuge der Miniaturisierung steigt der Widerstand der Verbindungsleitungen und damit die Verzögerungszeiten der Leitungen, die die Verzögerungszeiten der Transistoren übertreffen. Außerdem werden die Koppelkapazitäten durch die sinkenden Abstände zwischen den Leitern dominant. In erster Näherung wurde die Verzögerungszeit der Verbindungsleitungen mit einer einzigen RC-Zeitkonstanten, der Elmore Zeitverzögerung1.4, beschrieben. Die Berücksichtigung von induktiven Effekten bei der Abschätzung von Verzögerungszeiten ist für viele Verbindungsstrukturen nicht nötig, da ausreichende Genauigkeit mit einer RC Analyse erreicht werden kann [24]. Eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Berücksichtigung der Induktivitäten ist, dass der induktive Anteil der Leitungsimpedanz vergleichbar zum Widerstand wird

$\displaystyle \omega L\approx R\,,$ (1.1)

[25] gibt als Faustregel an

$\displaystyle \tau_r \le 2.5\,\tau_f\,,$ (1.2)

wobei $ \tau_r$ die Anstiegszeit des Signals ist und $ \tau_f$ die Ausbreitungszeit auf der Leitung. Da die Anstiegszeit $ \tau_r$ von vielen Parametern abhängt (und nur selten bestimmt ist durch die ungeladene Stromkreisanstiegszeit), wird auf eine ausführliche Darstellung in [26] verwiesen. Ebenso Ungleichungen führt [27] an, die Bereiche (in Abhängigkeit der Anstiegszeit, der Länge der Verbindungsleitung und R, L, und C) festlegen in denen induktive Effekte nicht vernachlässigbar sind, wie etwa in niederohmigen, langen Taktleitungen. Durch geeignete Wahl des Verhältnisses von Höhe zu Breite in Verbindungsleitungen läßt sich die RC Verzögerungszeit verbessern, nach [28] liegt das Optimum dieses Verhältnisses bei ungefähr 2.

Die Einbeziehung der Taktfrequenz in den Entwurf von mehrlagigen Netzwerken erfolgt über die Vorgabe, dass die Zeitverzögerung auf der längsten lokalen und semi-globalen Verbindungsleitung jeder Verdrahtungsebene kleiner 25 % der Taktperiode ist. Die restlichen 75 % sind den kritischen Pfaden und dem Taktversatz vorbehalten [29]. Ein hierarchischer Ansatz zur Auslegung von Taktleitungen wird in [30] gegeben.

Zur Berechnung des Übersprechens werden meistens geschlossene Formeln für einige Spezialfälle (Parallele Leitungen über Erdungsfläche, parallele Leitungen zwischen 2 Ebenen) angegeben [31]. Eine effiziente Schätzung des Übersprechens gibt [32] aufgrund eines erweiterten Modells und berücksichtigt auch den Einfluss von induktiven Effekten.

Für lange, globale Verbindungsleitungen kann die Zeitverzögerung auch durch Einfügen von Verstärkern reduziert werden. Auch die Signalform wird verbessert, allerdings zu Ungunsten der Packungsdichte und des Energieverbrauchs. Aufschluss über die Anordnung der Verstärker gibt beispielsweise [33]. Verstärker müssen am Beginn des Entwurfs geplant werden, damit im weiteren Verlauf auf sie zurückgegriffen werden kann. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion von Übersprechen ist das versetzte Einfügen von Invertern (Abb. 1.6). Die Inverter verursachen eine Änderung der Stromrichtung in jedem benachbarten Intervall. Die Selbstinduktivität wird auf der ganzen Leitung signifikant verringert [34], weil die induktiven Kopplungen zwischen den benachbarten Intervallen einer Leitung sich subtrahieren, statt wie üblicherweise addieren. Werden Inverterstufen jeder zweiten Leitung um den halben Abstand zwischen den Stufen versetzt, so kann auch die Gegeninduktivität zwischen benachbarten Leitungen deutlich verringert werden. Die Wechselwirkungen zwischen den Intervallen sind in Abb. 1.6 dargestellt.

Abbildung 1.6: Versetztes Einfügen von Invertern in Busleitungen reduziert kapazitives und induktives Übersprechen. Die fetten Pfeile zeigen die Stromrichtung, die dünnen die Schleifenwechselwirkungen.
\begin{figure}{\resizebox{0.69\textwidth}{!}{\includegraphics[{angle=0}]{inverter}}}\end{figure}

Kapazitives Übersprechen zwischen benachbarten Leitungen einer Ebene bzw. angrenzenden Ebenen kann durch Einführung von Masseflächen reduziert werden (s. Abb. 1.7a), was auch in einigen kommerziellen Mikroprozessoren angewandt wurde [35]. Leitungen mit großen Höhe zu Breite Verhältnissen lassen sich effektiver durch Schirmleitungen abschirmen (Abb. 1.7b), außerdem wird durch diese Schirmung auch eine Verringerung der Induktivitäten1.5 bewirkt, besonders die Gegeninduktivitäten

Abbildung 1.7: Abschirmungsmethoden: Masseflächen (a) und Schirmleitungen (b) verringern Induktivitäten von aktiven Leitern (blau) und Minimieren die Kopplungskapazität, (c) zeigt eine globale Routing Praxis für unter 100 nm Technologien
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\begin{minipage}[b]{0.29\textwidth}\centerline{\hss\resizebox{\lin...
...includegraphics[clip]{shield-gb}}}
\vspace{5pt}\centerline{(c)}\end{minipage}}

verringern sich, da jenseits der Schirmleitung die Gegeninduktivität vernachlässigbar wird [36]. Abbildung 1.7c zeigt einen Vorschlag für globale Routing Praxis um den Pfad des Rückstromes so kurz als möglich zu halten [35]. Hier gilt es noch anzumerken, dass kapazitives Übersprechen vorwiegend zwischen benachbarten Leitern auftritt, während induktive Kopplungen sowohl benachbarte als auch weiter entfernte Leiter betreffen kann, falls keine Schirmungsmaßnahmen getroffen werden. Schirmungsmaßnahmen werden meistens gemeinsam mit Ordnungsverfahren der Verdrahtungsstrukturen angewandt, um eine flächeneffiziente Lösung unter Berücksichtigung von Übersprechen zu erzielen [37].

Der Einsatz von Cu verbessert zwar Elektromigrationsfestigkeit und senkt den elektrischen Widerstand, neue Dielektrika mit kleiner Dielektrizitätszahl senken die RC(L) Zeitkonstante, aber erst durch Kombination von zusätzlichen, oberen Lagen (``Global Routing'') mit weniger stark skalierten Dimensionen gekoppelt mit optimierten Routingmaßnahmen und den Einsatz von Verstärkern bzw. Invertern wird das Leistungsvermögen bezüglich Übersprechen und Zuverlässigkeit der Verbindungsstrukturen für Hochleistungsprozessoren ausreichend verbessert.



Fußnoten

... Zeitverzögerung1.4
Die Elmore Zeitverzögerung ist eine absolute obere Grenze der Sprungantwort von RC Bäumen [23].
... Induktivitäten1.5
Der Abstand zwischen Hin- und Rückweg des Stromes wird reduziert.

C. Harlander: Numerische Berechnung von Induktivitäten in dreidimensionalen Verdrahtungsstrukturen