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5 Modell der Elektronenbeweglichkeit
bei niedrigen Feldern

Da die Niederfeldbeweglichkeit einen wichtigen Parameter zur Analyse und zum Entwurf von Halbleiterbauelementen darstellt, sind genaue Beweglichkeitsmodelle von großer Wichtigkeit. Die ohmsche Beweglichkeit in dotierten Halbleitern ist eine Funktion der Störstellenkonzentration und der Temperatur. Experimentelle Untersuchungen scheinen auf ein unterschiedliches Transporterhalten von Elektronen in n- und p-dotiertem Silizium hinzuweisen. In einem n-Gebiet sind die Elektronen aufgrund der ionisierten Donatoratome einem anziehenden Streupotential ausgesetzt, während hingegen in einem p-Gebiet die ionisierten Akzeptoratome ein abstoßendes Potential erzeugen, an dem die Elektronen gestreut werden. Da üblicherweise im Bereich der Bauelementsimulation praktisch nur mit der ersten Born-Näherung (unter Annahme einer punktförmigen Störstelle, siehe Abschnitt 2.4) gerechnet wird und in dieser der Streuquerschnitt nicht vom Vorzeichen der der Ladung einer ionisiserten Störstelle abhängt, blieb dieses unterschiedliche Verhalten bei der Modellierung oft unbeachtet. Natürlich muß man zugeben, daß dieses Phänomen erst bei höherer Dotierung eine Rolle spielt. Da in heutigen Bipolartransistoren p-Bereiche mit einer Störstellenkonzentration von 1019 cm-3 keine Seltenheit sind, müssen moderne Bauelementsimulatoren zwischen Majoritäts- und Minoritätselektronen unterscheiden. Denn bei 300 K ist in diesem Dotierungsbereich die Beweglichkeit von Minoritätselektronen mehr als doppelt so hoch als die Beweglichkeit von Majoritätselektronen [SKS86,LN93].

Experimente haben gezeigt, daß die Beweglichkeit der Elektronen in Silizium vom Donatortyp abhängt. Der Unterschied in der Beweglichkeit zwischen P- und As-dotiertem Si kann bis zu 32% bei 300 K betragen [MSS83]. Ein in [MSS83] vorgeschlagenes empirisches Modell[*], welches zwischen P- und As-dotiertem Si unterscheidet, findet des öfteren in kommerziellen Simulatoren Verwendung.

Nach wie vor verwenden viele Beweglichkeitsmodelle [BO75,AHR82, MBCR93] als Basisformel jene von Caughey und Thomas [CT67], die folgende Form hat:

 \begin{displaymath}\mu_{\mathrm{} LI} (N_{\mathrm{} D}) =\mu_{\mathrm{} min}+ \... ... \frac{ N_{\mathrm{} D}}{N_{\mathrm{} ref}} \right)}^{\alpha}}\end{displaymath} (5.1)


$\mu_{L}$ bezeichnet die Gitterbeweglichkeit, die durch die Phononstreuung begrenzt wird. $\mu_{\mathrm{} LI}$ ist jene Beweglichkeit, die sich durch die zusätzliche Streuung an ionisierten Störstellen ergibt. (5.1) reproduziert die Beweglichkeit bis $5\!\cdot\!10^{19}$ cm-3 ziemlich gut (Abb. 5.1). Eine Zusammenfassung verschiedener Parametersätze für (5.1) findet sich in [Sel84]. Da eine Funktion der Form (5.1) jedoch kein lokales Minimum besitzt, sondern monoton fällt, kann die Beweglichkeit jenseits von 1020 cm-3 auch qualitativ nicht wiedergegeben werden. Theoretische Überlegungen sagen ein lokales Minimum voraus, daß durch das Pauli-Verbot und durch das Verschwinden der Elektron-Plasmon Streuung zustandekommt (Abb.1.2 und Abb.4.5). Bei tiefen Temperaturen, wo dieses Minimum infolge stärkerer Entartung ausgeprägter ist, konnten Experimente bei 100 K [Swi87] ein lokales Minimum bestätigen (Abb. 5.2). Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß sogar in leicht dotiertem Silizium die Experimente zum Teil stark voneinander abweichen, sodaß es schwierig ist, auch nur die Phononenbeweglichkeit eindeutig festzustellen [NBL73,BO75,LT77]. Experimente [Swi87] zeigen jedoch klar, daß mit abnehmender Temperatur die Beweglichkeit eine Sättigung erfährt, deren Ursache nicht ganz geklärt ist. Entweder gewinnt die Streuung an neutralen Störstellen an Bedeutung, wobei keine zufriedenstellende Theorie dafür existiert[*], oder die Phononenbeweglichkeit folgt keinem einfachen Potenzgesetz. Letztere Möglichkeit ist sehr wahrscheinlich, da im Grenzwert $T \rightarrow 0 $ die Phononenbeweglichkeit gegen Unendlich ginge und damit (5.1) divergieren würde. Aus diesem Grunde habe ich $\mu_0$ mit einer verschobenen Exponentialfunktion modelliert, die für verschwindende Temperaturen gegen einen Grenzwert strebt ((5.3) , Abbildung G.4.)
 

Abbildung 5.1: Eine Funktion der Form (5.1) gibt die experimentellen Daten [MSS83] nur bis etwa 1020 cm-3 gut wider. Die numerischen Werte sind [AHR82] entnommen.

\begin{figure}\psfrag{e2}{\hspace{-0.2cm}$10^2$}\psfrag{y-mob}{Electron Mobili... ...s{mobthom.eps}}\end{center}\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}


Um die Beweglichkeit jenseits von 1020 cm-3 zu modellieren, kann man zu (5.1) einen zweiten rationalen Term addieren [MSS83]. Bei der Simulation von Bipolartransistoren wird es notwendig, Majoritäts- und Minoritätsladungsträgerbeweglichkeiten zu unterscheiden. Experimente lassen vermuten, daß bei tiefen Temperaturen $\mu_n,min$ um mehr als eine Größenordnung größer ist als die Beweglichkeit der Majoritätselektronen In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist das Beweglichkeitsmodell von Klaassen [Kla92a,Kla92b], welches ein mit physikalisch motivierten Ansätzen versehenes empirisches Modell darstellt. Er unterscheidet in seinem Modell zwischen Majoritäts- und Minoritätsladungsträgern, indem er zur ersten Born-Näherung eine Korrekturfunktion multipliziert, die er durch Streuphasenrechnungen erhält. Zwischen verschiedenen Dopanden eines Typs kann das Modell jedoch nicht unterscheiden. Außerdem ist der gültige Temperaturbereich nur [200,500] K, wobei die Übereinstimmung mit dem Experiment oft nur für T>250 K akzeptabel ist. Außerdem wurden in [Kla92a,Kla92b] die Beweglichkeiten nur innerhalb des kleinen Dotierungsbereichs $[10^{14}, 2.5\cdot 10^{18}]$ cm-3 mit experimentellen Daten verglichen. Es sollte auch erwähnt werden, daß das vorausgesagte Temperaturverhalten nicht mit dem Experiment in Einklang ist, wobei man zugeben muß, daß die Experimente selbst zum Teil erheblich voneinander abweichen [Dzi79, Neu85,SKS86, SKS88,LN93]. Der Grund ist, daß $\mu_n,min$ nicht direkt gemessen wird, sondern über die Diffusivität und über die Diffusionslänge nach der Einstein-Relation berechnet wird. Dabei muß man ein Annahme über die temperatur- und konzentrationsabhängige Lebenszeit der Minoritätselektronen treffen (Abschnitt 4.2).


 

Abbildung 5.2: Ein Vergleich von (5.1) mit experimentellen Daten [Swi87] zur Beschreibung der Beweglichkeit als Funktion der Dotierung bei 115 K. Die numerischen Werte sind [AHR82] entnommen. Das falsche Temperaturverhalten der Gitterbeweglichkeit liegt daran, daß diese immer nach einem einfachen Potenzgesetz modelliert wird. Experimente bei niedriger Temperatur zeigen jedoch ein Sättigungsverhalten in der Beweglichkeit [MM54,YMS67].

\begin{figure}\psfrag{e2}{\hspace{-0.2cm}$10^2$}\psfrag{e1}{\hspace{-0.2cm}$10... ...aror115.eps}}\end{center}\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center} \end{figure}




 


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Kaiblinger-Grujin Goran
1997-12-06