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5.2 Beweglichkeit von Minoritätselektronen

Wie schon in Abschnitt 4.2 ausgiebig diskutiert ist die Modellierung der Beweglichkeit von Minoritätselektronen mit großen Unsicherheiten verbunden. Trotz quantitativer Unterschiede in den experimentellen Daten ist eindeutig ein ausgeprägtes Minimum in der Beweglichkeit der Minoritätselektronen festzustellen (Abbildung 4.10). Der Grund dafür ist sicherlich die Elektron-Plasmon-Streuung, die eine wichtige Rolle in p-dotiertem Silizium einnimmt (siehe Abschnitt 1.4.2). Wir wählen daher folgenden Ansatz zur Modellierung der Minoritätsbeweglichkeit:

 \begin{eqnarray}
\mu_{n,B} (N_{\rm{A}},T,Z_{B})=\frac{ \mu_{0} + m- k - h }
{1+ ...
 ...rt N_{\rm{A}}- C_{b}\right\vert }{C_{3}} \right)}^{\gamma }} + h 
\end{eqnarray} (5.4)


Die temperaturabhängigen Parameter (Tabelle 5.5) in (5.4) wurden in jenen Temperaturbereichen an Simulationsdaten angepaßt, wo experimentelle Daten nicht zur Verfügung standen. Es wurde der folgende Satz an Gleichungen zusammen mit (5.3) und Z=5 für die temperaturabhängigen Parameter gewählt:

 \begin{eqnarray}\gamma (T) & = & \frac{0.6}{\mathrm{}t} + 1.4 \\ k(T)\,\left[\... ...& = & 2\left[ 300 + {\mathrm{} e}^{5.5\,\mathrm{}t} \right] \; ,\end{eqnarray} (5.5)


wobei $\mu_{0}, \alpha , \beta $ durch (5.3) definiert sind . Der kompliziertere Ansatz (5.4) verglichen mit (5.2) ist notwendig, da die Beweglichkeit der Minoritätselektronen als Funktion der Akzeptorkonzentration bei 300 K ein lokales Minimum bei etwa 1019 cm-3 besitzt. Die Temperaturverläufe der temperatur-abhängigen Koeffizienten finden sich im Anhang G. In Abbildung 5.13 erkennt man das ausgeprägte lokale Minimum der Beweglichkeit, das sich mit zunehmender Temperatur in Richtung höherer Störstellenkonzentration verschiebt. Die Ursache für das Minimum ist das Verschwinden der Elektron-Plasmon-Wechselwirkung, da die Wahrscheinlichkeit zur Emission oder Absorption von Plasmonen verschwindend klein wird, wenn die Plasmonenenergie die Energie thermischer Elektronen übersteigt. Je höher die Temperatur, desto höher ist die dafür erforderliche Störstellenkonzentration. Im Temperaturverhalten unterscheiden sich Minoritätselektronen stark von Majoritätselektronen, wie aus Abbildung 5.14 ersichtlich ist. Während die Beweglichkeit von Majoritätselektronen monoton mit zunehmender Temperatur abnimmt, zeigt die Beweglichkeit von Minoritätselektronen ein nicht-monotones Verhalten mit zunehmender Dotierung. Die Gründe sind nicht ganz geklärt. Ein Grund dafür ist sicherlich die Plasmonstreuung, die die Beweglichkeit von Minoritätselektronen maßgeblich beeinflußt unter der Annahme, daß die effektive Löchermasse viel größer ist als die effektive Elektronenmasse. Abbildung 5.15 zeigt einen Vergleich zwischen Simulation und Experiment bei 77 und 100 K. Die Fehlerbalken verdeutlichen den enormen Meßfehler bei der Messung von Minoritätsbeweglichkeiten. Die bei 100 K gemessenen Werte sind zum Teil höher als jene bei 77 K, was aufgrund stärkerer Phononstreuung physikalisch nicht möglich sein kann. Die Inkonsistenz der Daten ist eine Folge verschiedener Meßmethoden zur indirekten und daher stark fehlerbehafteten Messung der Beweglichkeit von Minoritätselektronen. Die stark voneinander abweichenden Ergebnisse verschiedener Experimentatoren spiegeln sich auch in Abbildung 5.16 wider, die bei Zimmertemperatur durchgeführt wurden. Abbildung 5.17 zeigt die Abhängigkeit der Beweglichkeit von Temperatur und Störstellenkonzentration in B-dotiertem Si, während Abbildung 5.18 einen Vergleich der Beweglichkeiten in P-und B-dotiertem Si zeigt.

Da in realistischen Bauelementen immer sowohl Akzeptoren als auch Donatoren vorhanden sind, muß man das Phänomen der Kompensation speziell bei Verbindungshalbleitern berücksichtigen. Das theoretische Störstellenstreumodell ist auch auf kompensierte Halbleiter anwendbar. Man hat nur bei der Berechnung der Fermi-Energie und der Abschirmlänge die effektive Ladungsträgerdichte zu verwenden. Zusätzlich muß bei der Auswahl der Streuprozesse zwischen der Störstellenstreuung, die durch ionisierte Akzeptoren verursacht wird, unterschieden werden von jener Störstellenstreuung, die durch ionisierte Donatoren ausgelöst wird.

Die Abschirmlänge in n-Silizium bei angenommener vollständiger Ionisation lautet demnach [Sch93]

\begin{displaymath}\beta^2 = \frac{e^2}{\epsilon_{0}\epsilon_{\mathrm{sc}}k_{\ma...
 ...eft(1- \frac{N_{\mathrm
A}^{-}}{N_{\mathrm D}^{+}}\right) \; ,
\end{displaymath} (5.6)

wobei wir bei unserer einfachen Abschätzung Entartungseffekte vernachlässigen, da die zusätzliche Gegendotierung diesen noch entgegenwirkt. Der totale Streuquerschnitt $\sigma $ ergibt sich damit zu

\begin{displaymath}\sigma (k) \propto \int\limits_{0}^{2k} \frac{q {\mathrm d}q}{(q^2 + \beta^2 )^2} \; ,
\end{displaymath} (5.7)

wobei wir der Einfachheit halber das BH-Modell heranziehen. Andererseits erhöht sich die Zahl der Streuzentren auf

\begin{displaymath}N_{\mathrm I} = N_{\mathrm D}^{+} \left(1+ \frac{N_{\mathrm
A^{-}}}{N_{\mathrm D}^{+}}\right) \; . 
\end{displaymath} (5.8)

Da die Streurate nach (3.27) direkt proportional der Anzahl der Streuzentren ist, erhöhen beide Effekte die Streurate an ionisierten Störstellen. Dies wiederum führt zu einer Verminderung der Elektronenbeweglichkeit.

Die Streuung von Elektronen an unterschiedlichen positiven Donatoren und negativen Akzeptoren kann in guter Näherung als voneinander unabhängig betrachtet werden, sodaß die Matthiessen-Regel gültig ist [Sch93]. Damit erhalten wir für die totale Beweglichkeit der Majoritätselektronen unter Zuhilfenahme von (5.2)

 \begin{displaymath}
\mu_{\mathrm{n},\mathrm{P}, \mathrm{As}} (N_{\mathrm{P}}, N_...
 ...s}} (N_{\mathrm{As}})} -
\frac{1}{\mu_{0}} 
\right) ^{-1} \; .
\end{displaymath} (5.9)

Wenn zusätzlich noch eine B-Dotierung vorliegt, entstehen Dipolkräfte zwischen benachbarten Akzeptoren und Donatoren, die jedoch aufgrund der großen Dipollänge vernachlässigt werden können. Somit erhalten wir unter Berücksichtigung von ( 5.4) und (5.9)

 \begin{displaymath}
\mu_{\mathrm{n}}^{\mathrm{tot}} (N_{\mathrm P} , N_{\mathrm{...
 ...B}} (N_{\mathrm{B}}) } - \frac{1}{\mu_{0}} \right) ^{-1} \; . 
\end{displaymath} (5.10)

Mit (5.10) sind wir in der Lage, die Elektronenbeweglichkeit für ein beliebiges Dotierungsprofil in P-, As- und B-dotiertem Silizum der Konzentrationen $N_{\mathrm P}$,$N_{\mathrm{As}}$ und $N_{\mathrm{B}}$ anzugeben, sodaß die künstliche Unterscheidung zwischen Majoritäts- und Minoritätselektronen nicht mehr nötig ist.


 

Tabelle 5.5: Die Parameter von (5.4) für B.

Temperature $ [\mathrm{} K]$ 70 100 150 200 300 400 500
h $ [{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 37 26 18 13 9 7 5
k $ [{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 650 465 337 272 205 172 153
m $ [{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 350 265 202 168 137 122 112
$ C_{2}\cdot 10^{20} $ $[{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 3.4 6.6 11 12.9 14.2 14.4 14.4
$ C_{3}\cdot 10^{19} $ $[{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 0.60 0.62 0.65 0.70 1.0 4.0 20
$ C_{a}\cdot 10^{19} $ $[{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 1. 3.1 5.9 7.5 9.5 11 11.5
$ C_{b}\cdot 10^{18} $ $[{\mathrm{} cm}^{2}/\mathrm{} Vs]$ 0.017 0.25 0.9 1.7 3 4 5
$\gamma $ 4 3.2 2.6 2.3 2 1.85 1.75




 

Abbildung 5.13: Die Beweglichkeit der Minoritätselektronen nach (5.4) als Funktion der Akzeptorkonzentration für unterschiedliche Temperaturen in B-dotiertem Si.

\begin{figure}\psfrag{100k}{\hspace{-0.4cm}100 $\!$K}\psfrag{200k}{\hspace{-0.... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



 

Abbildung 5.14: Die Beweglichkeit der Minoritätselektronen nach (5.4) als Funktion der Temperatur T bei unterschiedlichen Akzeptorkonzentrationen $N_{\rm{A}}$ für B-dotiertes Si.

\begin{figure}\psfrag{y-mob}{Electron Mobility [cm$^2$/Vs]}\psfrag{1h}{\raiseb... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



 

Abbildung 5.15: Die Beweglichkeit der Minoritätselektronen nach (5.4) als Funktion der Akzeptorkonzentration bei 77 und 100 K in B-dotiertem Si. Experimentelle Daten sind aus [LN93] (77 K) und [SKS86] (100 K).

\begin{figure}\psfrag{e2}{\hspace{-0.3cm}$10^2$}\psfrag{e3}{\hspace{-0.2cm}$10... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



 

Abbildung 5.16: Die Beweglichkeit der Minoritätselektronen nach (5.4) als Funktion der Akzeptorkonzentration bei 300 K in B-dotiertem Si. Experimentelle Daten sind aus [SKS86] (295 K), [LN93] (296 K) und [Dzi79] (300 K).

\begin{figure}\psfrag{s296}{\footnotesize\hspace{-0.35cm}296 K}\psfrag{e2}{\hs... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



 

Abbildung 5.17: Die Elektronenbeweglichkeit nach (5.4) als Funktion der Akzeptorkonzentration $N_{\rm{A}}$ und der Temperatur T in B-dotiertem Si.

\begin{figure}\psfrag{a16}{\raisebox{-1ex}{\hspace{-0.2cm}$10^{16}$}}\psfrag{a... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



 

Abbildung 5.18: Vergleich der Elektronenbeweglichkeiten nach (5.2) und (5.4) als Funktion der Störstellenkonzentration Ni und Temperatur T in P- und B-dotiertem Si.

\begin{figure}\psfrag{y-mob}{Electron Mobility [cm$^2$/Vs]}\psfrag{x-tmp}{$T$\... ...}}\end{center}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\end{figure}



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Kaiblinger-Grujin Goran
1997-12-06