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6 Diskussion und Ausblick

Ein neues physikalische Modell zur Störstellenstreuung wurde entwickelt und am Beispiel von dotiertem Silizium zur Berechnung von Elektronenbeweglichkeiten angewandt. Das Modell, welches nicht an bestimmte Halbleiter gebunden ist, wurde auch erfolgreich bei Verbindungshalbleitern angewandt [KKGKS97a,KKGKS97b]. Andererseits gibt es einige Verbesserungsmöglichkeiten, die wir kurz diskutieren werden.

In der vorliegenden Arbeit wurde angenommen, daß die ionisierten Störstellen homogen verteilt sind. Genaugenommen muß man von einer Poisson-Verteilung der Störstellen ausgehen, deren Mittelwert die Störstellekonzentration Ni ist. Wir haben Coulomb-Wechselwirkungen, die mehr als zwei Störstellen einschließen, vernachlässigt, da wir keinerlei Informationen über die statistische Verteilung der Abstände der Störstellen zueinander haben. Unter der Annahme einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Ortskoordinaten aller Störstellen müßte es möglich sein, auf die Verteilung der Relativabstände der Störstellen zu schließen.

Ein anderer Schwachpunkt ist sicherlich die Born-Näherung, mit deren Hilfe wir die Streuraten berechneten. Als Alternative bietet sich die Streuphasenmethode an, die jedoch voraussetzt, daß einerseits das Störpotential bekannt ist, andererseits die Potentiale sich nicht gegenseitig überlappen.

Das klassische Thomas-Fermi-Atommodell liefert gute Ergebnisse bei der Berechnung von Ionisierungsenergien von isolierten Atomen und Molekülen. Die Übereinstimmung ist umso besser, je größer die Kernladungszahl der Atome ist. Der große Vorteil dieser Methode ist die Möglichkeit, die totale Energie oder die Ladungsdichte in analytischer Form darstellen zu können. Da jedoch die Eigenschaften von Atomen in einem Kristallverband sich deutlich von denen im isolierten Zustand unterscheiden, sollte das Thomas-Fermi-Modell nur als grobe Näherung verstanden werden. Außerdem hängt die Ladungsverteilung der Elektronen stark davon ab, welchen Wert man für die Dielektrizitätskonstante wählt. Da die räumliche Ausdehnung der Ladungsverteilung im Bereich des Bohr-Radius liegt, sollte die Dielektrizitätskonstante für Vakuum verwendet werden. Dies wiederum würde bedeuten, daß die Ladungsverteilung der Elektronen auf sehr engem Raum um den Kern begrenzt ist, sodaß man praktisch von einer punktförmigen im Kern vereinigten Ladungsverteilung ausgehen kann. Das hätte zur Folge, daß die Dopandenabhängigkeit der Beweglichkeit nicht ausreichend durch verschiedene Ladungsverteilungen erklärbar ist und damit noch immer ungelöst bleibt.

Ein weiteres Problem stellt die funktionale Abhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten $\epsilon$ von der Störstellenkonzentration in Si dar. Da man nahe dem absoluten Nullpunkt ein divergentes Verhalten von $\epsilon$ beim Isolator-Metall-Übergang messen konnte, wäre es interessant zu untersuchen, inwieweit diese Divergenz auch existiert, wenn man sich metallseitig diesem Übergang nähert. Es sind außerdem keinerlei experimentelle Untersuchungen bei Zimmertemperatur darüber bekannt. Jeglicher Anstieg von $\epsilon$ über jenen Wert im intrinsichen Halbleiter hätte erhebliche Auswirkungen auf die Bauelemtsimulation im allgemeinen.

Es wurde weiters angenommen, daß die Störstellenkonzentration gleich der Elektronenkonzentration ist. Daß alle Störstellen ionisiert sind, ist für praktische Anwendungen eine hinreichend gute Näherung. Insbesondere, wenn man bedenkt, daß bei der kritischen Dotierung die Ionisierungsenergie gegen Null geht.

Viele Verbesserungsmöglichkeiten ergeben sich bei der Modellierung der Beweglichkeit von Minoritätselektronen. Erwähnenswert wäre die Berücksichtigung von Elektron-Loch-Streuung oder eine genauere Modellierung der Plasmon-Streuung inklusive Dämpfung. Solange jedoch gravierende Unterschiede verschiedener experimenteller Gruppen bei der Messung von Minoritätsbeweglichkeiten bestehen, ist eine übertrieben genaue Modellierung nicht sinnvoll.


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Kaiblinger-Grujin Goran
1997-12-06