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6.1.4 Monte Carlo Methode  

Die Monte Carlo  Methode (MC) zur Untersuchung des Transports in HL beruht auf der Simulation der Ladungsträgerdynamik auf mikroskopischer Ebene. In semiklassischer Weise werden die Elektronen als konzentrierte Partikel gesehen, die zwischen den instantanen Streuvorgängen, charakterisiert durch quantenmechanisch abgeleitete Streuraten, den klassischen Bewegungsprinzipien unterliegen. Zur Auswahl des individuellen Streuprozesses eines Elektrons vom Zustand $\vec{k}$ nach $\vec{k'}$ dient die Verwendung von Pseudozufallszahlen. Aus diesem Zufallsprinzip, das in vielen Gebieten Anwendung findet [64], erklärt sich die Namensgebung. Die Trajektorien der Ladungsträger werden im Orts- und k-Raum verfolgt und Mittelwerte für die makroskopischen Größen berechnet.

Die MC Methode benötigt im Gegensatz zu den anderen numerischen Methoden keine Annahme über die funktionale Form von f, sie ergibt sich implizit in der Simulation. Weiters gilt sie zumindest im Bereich des Hochfeldtransports als die genaueste Methode zur Transportuntersuchung. Deshalb wurde sie auch im Rahmen dieser Arbeit extensiv verwendet. Dieses Verfahren ist nicht nur in der Lage, transientes Verhalten zu analysieren, sondern auch extremen Nichtgleichgewichtstransport (``ballistic transport''). Dieser tritt in Bauelementen im tiefen Submikrometerbereich auf, wo die charakteristischen Dimensionen nur mehr wenige freie Weglängen betragen, oder bei extrem kurzen transienten Feldverläufen. In beiden Fällen treten nur wenige Stöße pro Ladungsträger auf, es kann sich auch lokal kein Gleichgewicht einstellen, und die Driftgeschwindigkeit kann weit über der maximalen beziehungsweise der Sättigungsgeschwindigkeit unter stationären Bedingungen liegen (``velocity overshoot'').

Trotz des wesentlichen Mehraufwands an Rechenzeit hat sich die MC Methode deshalb nicht nur als Standardverfahren zur Untersuchung und Modellierung von Transporteigenschaften etabliert [57,60,96], sondern gewinnt dank moderner Computer auch an Bedeutung als praktikables Werkzeug der Technologie- und Bauelemententwicklung [62,115,137][*].

Um eine genaue Beschreibung des Ladungsträgertransports zu erreichen, ist es nötig, eine hinreichende Anzahl von Ladungsträgern und Stoßvorgängen zu untersuchen. Die Ensemble Monte Carlo Methode (EMC)  erlaubt es, transiente Untersuchungen durchzuführen. Aus Mittelung über ein betrachtetes Ensemble von Ladungsträgern zum Zeitpunkt t kann die zeitliche Entwicklung der relevanten Größen studiert werden. Ist man hingegen nur an stationären Eigenschaften interessiert, genügt es aufgrund der Ergodizität[*] nur ein Elektron hinreichend lange zu verfolgen. Man nennt dies Ein-Partikel Monte Carlo  Verfahren (``single particle MC'') [95].

Man kann MC Verfahren auch hinsichtlich der verwendeten Modelle für Bandstruktur und Ladungsträgerstreuung unterscheiden. Die MC Methode erlaubt es, neben analytischen Bandstrukturmodellen (parabolisch, nichtparabolisch), die komplette Bandstruktur in der Simulation zu berücksichtigen . Diese Vollband Monte Carlo  (``full band MC'') Codes [44,88] benützen numerisch errechnete Bandstrukturdaten (tabellierte Abtastwerte in der Brillouinzone) zur Integration der Bewegungsgleichungen. Eine weitere Verbesserung bietet die Verwendung von aus der numerischen Bandstruktur selbst gewonnenen Kopplungskonstanten der Phononenstreuung [124] anstatt der phänomenologischen. Solche parameterfreien Monte Carlo  Simulationen stellen heute den höchsten Reifegrad der physikalischen Modellierung des semiklassischen Ladungsträgertransports dar, ihre Ergebnisse werden allgemein als die exaktesten betrachtet. In der Reihenfolge der Aufzählung steigt mit dem Grad der physikalischen Rigorosität natürlich der numerische Rechenaufwand. Ein aufschlußreicher Vergleich von Ergebnissen der diversen MC Varianten findet sich in [1].

Einer sinnvollen Auswahl der Methode muß eine Abwägung der Anforderungen hinsichtlich Exaktheit der verwendeten Modelle, Rechenzeiterfordernis und Zielbereich der Untersuchung vorangehen. Gilt wie im vorliegenden Fall das Interesse der Modellierung stationärer Zusammenhänge im homogenen HL Transport, ist die Ein-Partikel Variante die naheliegende. Aufgrund der relativ geringen Separation der LB Minima in den betrachteten III-V HL ist die genaue Wiedergabe der Bandstruktur für Energien weitab der Minima nicht unbedingt erforderlich. Daher wird die analytische nichtparabolische Bandstruktur, wie in Abschnitt 3.2 beschrieben, verwendet. Im Hochfeldbereich erreichen die hochenergetischen Ladungsträger höhere Minima, in denen die analytische Beschreibung ja wieder hinreichend genau ist. Aber selbst zur Untersuchung des Hochfeldtransports in Silizium, wo die Separation der Minima groß ist ($\gt 1\,\mathrm{eV}$) und die analytische Bandstruktur eher versagt, kann mit Anpassung der phänomenologischen Kopplungskonstanten gute Übereinstimmung mit dem Experiment erreicht werden. Die Verwendung der analytischen Bandstruktur ergibt sich auch geradezu zwingend, will man Abhängigkeiten von der Legierungskonzentration studieren. Ansonsten müßte man für jeden Wert der - prinzipiell kontinuierlich variierbaren - Zusammensetzung die numerischen Bandstrukturdaten kennen oder im k-Raum über die Konzentration interpolieren.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden daher am Institut entwickelte MC Codes [43,113,215] weiterentwickelt und zur Charakterisierung des Elektronentransports in verspannten Schichten herangezogen. Dies ist in den folgenden Abschnitten beschrieben.


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Christian Koepf
1997-11-11