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2.3.3 Präzipitation

Im Falle der Bildung von Präzipitaten können sich mitunter sehr viele Atome aneinander binden. Ein Vertreter dieser Gruppe sind die sogenannten {311}-Defekte. Diese Defekte sind flächenhafter Natur an den Zwischengitterplätzen in der {311}-Ebene des Siliziumkristalls [Dun93].

Naturgemäß beeinflußt die Größe und Form des Präzipitates die Koeffizienten der generellen Reaktionsgleichung Gl. 2.7. Die Bindungsenergie eines Atoms an ein Präzipitat der Größe n entspricht der Differenz in der freien Gibbs'schen Energie für das Gesamtsystem vor und nach der Reaktion:

\begin{displaymath}E_b = \Delta G(n+1) - \Delta G(n).
\end{displaymath} (2.13)

Die freie Gibbs'sche Energie $\Delta G(n)$ berechnet sich zu

 \begin{displaymath}
\Delta G(n) = -nkT \log\frac{C_X}{C_{\mathrm {ss}}} + \Delta G^{\mathrm {ex}}(n),
\end{displaymath} (2.14)

wobei der erste Term der Reduktion des chemischen Potentials $\log(C_X/C_{\mathrm {ss}})$ durch die Aufnahme von n Atomen in das Präzipitat darstellt. CX ist die Konzentration der freien Atome und $C_{\mathrm {ss}}$ deren Sättigungsgrenze. Der zweite Term $\Delta G^{\mathrm {ex}}(n)$ steht für die Änderung der Summe der in der Oberfläche des Präzipitates gespeicherten Energie und der zur Verformung der Umgebung aufzuwendenden mechanischen Energie.

Während die Reduktion des chemischen Potentials proportional zur Anzahl der gebundenen Atome verläuft, hängt $\Delta G^{\mathrm {ex}}(n)$ einerseits von der Größe der Oberfläche und andererseits vom Verformungsvolumen ab. Die Oberfläche und die darin gespeicherte Energie nimmt nur sublinear zu. Die Oberfläche eines kugelförmigen Präzipitates aus n Atomen errechnet sich zu $A=\left(12\pi n V_a\right)^{2/3}$, wenn Va das Volumen eines Atomes im Präzipitat ist. Je nach Form des Präzipitates erhält man unterschiedliche Zusammenhänge, die jedoch immer sublinear sind. Die gespeicherte mechanische Verformungsenergie ist hingegen proportional dem Quadrat der resultierenden Volumsänderung und dem Elastizitätsmodul E [Dun93]:

\begin{displaymath}G_m= E \frac{\pi}{4}\left(\frac{\Delta V_a}{V_a}\right)^2.
\end{displaymath} (2.15)

Abb. 2.3 zeigt, daß die resultierende freie Gibbs'sche Energie sowohl ein Maximum als auch ein Minimum aufweist. Unterhalb einer gewissen kritischen Größe $n_{\mathrm {c1}}$ sind die Präzipitate daher nicht stabil, während größere Präzipitate wachsen können. Ab einer Größe $n_{\mathrm {c2}}$ kann durch weiteres Wachstum die Gesamtenergie nicht mehr verringert werden.


  
Abbildung 2.3: Schematischer Verlauf des chemischen Potentials $G_{\mathrm {chem}}$, der Oberflächenenergie $G_{\mathrm {surf}}$, der Deformationsenergie $G_{\mathrm {mech}}$ sowie der freien Gibbs'schen Energie $\Delta G$ eines Präzipitates als Funktion der Atomanzahl n.
\begin{figure}
 \centerline{\resizebox {0.5\textwidth}{!}{
 \psfrag{Gmech} {\Hug...
 ...g{G} {\Huge \hspace{-2ex} $G$}
 \includegraphics{prezenergie.eps}}
}\end{figure}

Es existieren in der Regel Präzipitate verschiedenster Größen gleichzeitig und konkurrieren um die freien Atome. Die Reaktionskinetik wird durch die Umwandlungsraten von Präzipitaten mit n Atomen zu Präzipitaten mit n+1 Atomen beschrieben,

 \begin{displaymath}
I_n=D\lambda_n\left(C_1C_n - C_n^*C_{n+1}\right)
\end{displaymath} (2.16)

wobei Cn für die Konzentration der Präzipitate der Größe n steht. C1 ist demgemäß die Konzentration der isolierten Atome. Cn* sind die jeweiligen Gleichgewichtskonzentrationen entsprechend der Größe n und $D \lambda_n$ entspricht der effektiven Reaktionsgeschwindigkeit.

Die zeitliche Entwicklung der Größenverteilung von Cn wird durch die Erhaltungsgleichungen

\begin{displaymath}\begin{split}
{\frac{\partial{C_n}}{\partial{t}}}&=I_{n-1}-I_...
 ...tial{dt}}}&=-2I_1 - \sum\limits_{n=2}^{\infty}{I_n}
\end{split}\end{displaymath} (2.17)

wiedergegeben. Nachdem zu jeder Umwandlung von der Größe n zu n+1 ein Atom benötigt wird, ist die zeitliche Entwicklung von C1 durch die Summe aller Umwandlungsraten gegeben.

Die Gleichgewichtskonzentrationen Cn* können mit Hilfe von Gl. 2.14 zu

 \begin{displaymath}
C_n^*=C_{\mathrm {ss}}\exp\left(\frac{\Delta G^{\mathrm {ex}}(n+1)-\Delta G^{\mathrm {ex}}(n)}{kT}\right)
\end{displaymath} (2.18)

ermittelt werden.

Der Spielraum zur Modellierung der Präzipitation liegt in der Gestaltung der gespeicherten Oberflächen- und Deformationsenergie $\Delta G^{\mathrm {ex}}(n)$, der Löslichkeitsgrenze $C_{\mathrm {ss}}$ und den effektiven Reaktionsgeschwindigkeiten $D \lambda_n$.


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Ernst Leitner
1997-12-30