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5.1.2 Ladungsträgertransport über Grenzflächen

 

Die Konstanz der Fermienergie im thermodynamischen Gleichgewicht gilt auch an Grenzflächen. Dieser Forderung müssen die Grenzflächenmodelle entsprechen. Ist der Zustand des thermodynamischen Gleichgewichts nicht mehr gegeben, das heißt, es fließt ein gewisser Strom über die Grenzfläche, so kann das Modell weiterhin ein stetiges Quasi-Ferminiveau erzwingen. Der Strom ist nach wie vor durch die Volumsmodelle bestimmt. Spezielle Eigenschaften der Grenzfläche kommen dadurch nicht zum tragen (z.B.\ Tunneleffekte). Anders stellt sich der Sachverhalt dar, wenn das Quasi-Ferminiveau an der Grenzfläche springt, also unstetig verläuft. Nun kontrolliert das Grenzflächenmodell den Stromfluß und spezifische Grenzflächeneigenschaften können in das Modell integriert werden.

Wie schon erwähnt, sind die Boltzmanngleichung und die von ihr abgeleiteten Transportgleichungen nur gültig, wenn die räumliche Änderung des Potentials und damit die Änderung der Bandkantenenergien nicht zu ausgeprägt sind.

   figure2003
Abbildung 5.3: Verlauf der Bandkantenenergie im Übergangsbereich einer Grenzfläche. Die starken Schwankungen der Bandkantenenergie innerhalb der unmittelbaren Umgebung der Grenzfläche bedingt, daß die von der Boltzmanngleichung abgeleiteten Transportgleichungen in diesem Bereich nicht mehr gültig sind, sondern quantenmechanische Modelle verwendet werden müssen (Bild a). Werden die Quanteneffekte durch die Transmissionswahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8896 berücksichtigt, kann der Übergangsbereich idealisiert als Grenzfläche modelliert werden (Bild b). In den angrenzenden Gebieten behalten die Volumsmodelle ihre Gültigkeit.

Dieser Sachverhalt ist im Grenzflächenbereich nicht mehr gegeben. Abbildung 5.3a zeigt den schematischen Verlauf der Leitungsbandkante im Grenzflächenbereich. In diesem Bereich sind daher quantenmechanische Effekte, wie etwa Tunneln der Ladungsträger, zu erwarten. Außerhalb des Bereichs ist das Potential hinreichend glatt und die Volumsmodelle sind gültig.

Betrachtet man nun ein Elektron mit einer bestimmten Energie, so kann seine Bewegung im Volumen mit der klassische Mechanik durch einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Impuls tex2html_wrap_inline8672 und Ort tex2html_wrap_inline8900 beschrieben werden. Im Grenzflächenbereich ist dieser eindeutige Zusammenhang nicht mehr gegeben, da die Forderung, daß sich die Verteilungsfunktion der Ladungsträger im Phasenraum nur schwach ändert, nicht mehr erfüllt ist (s. Abschnitt 4.1).

Statt dessen kann mit der Quantenmechanik eine Wahrscheinlichkeit angegeben werden, mit der das Elektron im Phasenraum an der Stelle tex2html_wrap_inline8654 anzutreffen ist. Ist seine Energie geringer als die Barrierenhöhe, so wird es an dieser reflektiert. Es sind jedoch auch einige Pfade möglich, welche die Barriere überwinden. Ähnlich ist die Situation wenn die Energie des Elektrons größer als die Barrierenhöhe ist. Die klassische Beschreibung besagt, daß das Elektron die Barriere überwindet. Die quantenmechanische Beschreibung zeigt jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Elektron an der Barriere reflektiert wird.

   figure2010
Abbildung 5.4: Transmissions- und Reflexionswahrscheinlichkeiten im Grenzflächenbereich. Mit Hilfe dieser Wahrscheinlichkeiten werden quantenmechanische Effekte im Übergangsbereich modelliert.

Abbildung 5.4 zeigt die verschiedenen Fälle, die an einer Grenzfläche auftreten können. Ein Elektron, das vom Gebiet 1 kommend mit dem Wellenvektor tex2html_wrap_inline8904 die Grenzfläche erreicht, wird mit der Wahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8906 die Barriere überwinden und mit der Wahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8908 reflektiert. Ebenso wird ein Elektron vom Gebiet 2 kommend, das mit dem Wellenvektor tex2html_wrap_inline8910 die Grenzfläche erreicht, mit der Wahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8912 die Barriere überqueren und mit der Wahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8914 reflektiert. Der Ladungsträgertransport über die Grenzfläche ist somit durch die Wahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8896 vollständig charakterisiert. Das detailierte Verhalten der Ladungsträger im Übergangsbereich ist damit hinreichend beschrieben und kann durch eine Beschreibung seines Verhaltens in der Grenzfläche ersetzt werden (s. Abb. 5.3b). Gemeinsam mit den Parametern der elektrostatischen Grenzflächenbedingung ist die Grenzfläche durch die Flächenladungsdichte tex2html_wrap_inline8834 , der Bandkantendiskontinuität tex2html_wrap_inline8886 und der Übergangswahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8896 vollständig beschrieben.

   figure2028
Abbildung 5.5: Ist die Dicke der Energiebarriere an der Grenzfläche nicht zu groß, kann sie von den Elektronen durchtunnelt werden. Das kann durch eine geeignete Modellierung von tex2html_wrap_inline8896 berücksichtigt werden.

Für die Berechnung der Tunnelwahrscheinlichkeit tex2html_wrap_inline8926 kann die Wentzel-Kramer-Brillouin Näherung (WKB Näherung) verwendet werden (s. Abb. 5.5),

equation2039

wobei tex2html_wrap_inline8928 die effektiven Tunnelmasse ist und tex2html_wrap_inline8930 der Ort , an dem tunnelnde Ladungsträger mit der Energie E die Energiebarriere verlassen. tex2html_wrap_inline8934 ist die Maximalenergie der Barriere.

Für die Herleitung der Grenzflächenbedingungen für den Ladungstransport werden nun folgenden Annahmen getroffen:

  1. Quanteneffekte nur in der Grenzschicht
  2. Energieerhaltung
  3. Erhaltung des Impulses normal zur Grenzfläche tex2html_wrap_inline8936
  4. tex2html_wrap_inline8896 beschreibt die Quanteneffekte innerhalb der Grenzschicht
Für die 2. Bedingung wird vorausgesetzt, daß alle Effekte innerhalb der Grenzschicht sehr viel schneller ablaufen, als die Vorgänge außerhalb der Grenzschichten im Bauelement. Bedingung 3 entspricht der Forderung, daß sich die effektive Bandkantenenergie in Tangentialrichtung zur Grenzfläche nur schwach ändert. Diese Forderung ist konform zur Annahme, daß starke Variationen der effektiven Bandkantenenergie nur kleinräumig in der Grenzschicht stattfinden.

Diese Erhaltungsbedingungen definieren eine Beziehung zwischen den Wellenvektoren tex2html_wrap_inline8904 und tex2html_wrap_inline8910 an der Grenzfläche zwischen zwei Teilgebieten. Im folgenden werden parabolische Bänder angenommen und die Gleichungen für den Elektronentransport abgeleitet. Die Berechnungen für Löcher sind equivalent.

Allgemein muß zwischen Transmission und Reflexion unterschieden werden. Beginnend mit der Transmission gilt mit der geforderten Energieerhaltung unter Berücksichtigung der Bandkantendiskontinuität für die Energie der Elektronen

  equation2051

Wird die Grenzfläche normal zur x-Koordinate angenommen, lautet die Erhaltung der Tangentialkomponenten der Impulse

  equation2057

Im Falle eines parabolischen Bandes mit

equation2069

erhält man aus Gleichung (5.21) die Beziehung

equation2075

Diese Gleichung kann unter Zuhilfenahme von Gleichung (5.22) für tex2html_wrap_inline8946 als Funktion von tex2html_wrap_inline8904 geschrieben werden

  equation2093

mit

  equation2102

Gleichung (5.25) besitzt nur dann eine reelle Lösung, wenn

  equation2111

ist. Diese Bedingung drückt aus, daß die Normalkomponente des Impulses eines Elektrons, das die Energiebarriere erreicht, groß genug sein muß, damit es die Barriere überwinden kann. Umgekehrt kann auch tex2html_wrap_inline8950 als Funktion von tex2html_wrap_inline8910 geschrieben werden,

  equation2117

Da der Ausdruck unter der Wurzel immer positiv ist, sind hier alle Elektronen in der Lage, die Barriere zu überqueren. Formal wird ähnlich zu (5.27) die triviale Bedingung

  equation2127

definiert.

Für die Reflexion von Elektronen gilt, wenn ein vom Teilgebiet 1 kommender Ladungsträger mit tex2html_wrap_inline8954 an der Barriere mit tex2html_wrap_inline8904 zurück reflektiert wird, die Erhaltung der Tangentialkomponenten

equation2133

und für die Normalkomponenten, da das Elektron seine Richtung umkehrt,

equation2142

Gleiches gilt für die Elektronen im Teilgebiet 2.

Mit diesen Erhaltungsgleichungen können nun die Grenzflächenbedingungen für die Impulse spezifiziert werden. Um die Teilchenerhaltung innerhalb eines Teilgebiets zu gewährleisten, muß die Anzahl der Elektronen, die die Grenzfläche erreichen, mit der Anzahl der Elektronen, die die Grenzfläche verlassen, übereinstimmen. Wie in [28] beschrieben, definieren die Elektronen, die in ein Teilgebiet eindringen, die Grenzflächenbedingungen. Dies bedeutet, daß für jedes Teilgebiet eine Bedingung und damit für die Grenzfläche zwei Bedingungen spezifiziert werden.

Die Anzahl der Elektronen mit dem Wellenvektor tex2html_wrap_inline8904 , die vom Teilgebiet 1 kommend die Grenzfläche erreichen ist proportional zu

equation2148

Ersetzt man tex2html_wrap_inline8960 erhält man die Anzahl der Elektronen mit tex2html_wrap_inline8904 im Zeitintervall tex2html_wrap_inline8964 ( tex2html_wrap_inline8930 bezeichnet die Lage der Grenzfläche),

equation2159

Ähnliches gilt für die Anzahl der Elektronen mit tex2html_wrap_inline8910 , die in das Teilgebiet 2 eindringend im Intervall tex2html_wrap_inline8964 die Grenzfläche verlassen,

equation2169

Die Effekte an der Grenzfläche werden durch die Transmissions- und Reflexionswahrscheinlichkeiten beschrieben. tex2html_wrap_inline8906 ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Elektron mit tex2html_wrap_inline8904 , vom Teilgebiet 1 kommend die Grenzfläche überqueren kann (s. Abb. 5.4) und tex2html_wrap_inline8912 die Wahrscheinlichkeit für den umgekehrten Vorgang. Zwischen diesen beiden Wahrscheinlichkeiten besteht der Zusammenhang tex2html_wrap_inline8978 , da die Schrödingergleichung bezüglich der Zeit symmetrisch ist. Für den Fluß ins Teilgebiet 2 gilt nun

eqnarray2184

Der Fluß in das Teilgebiet 1 ist analog definiert.

Die Erhaltungsgleichungen für die Elektronen an der Grenzfläche lauten:

equation5.35-5.36

   figure2237
Abbildung 5.6: Verlauf der Leitungsbandkante, für den das Tunneln der Elektronen an der Grenzfläche keine Rolle spielt. Quantenmechanische Effekte werden ausschließlich durch den abrupten Sprung der Bandkantenenergie berücksichtigt werden. Je höher die Temperatur der Elektronen ist, um so eher sind sie in der Lage, die Energiebarriere tex2html_wrap_inline8066 zu überwinden. Dieser Effekt wird daher thermionische Emission genannt.

Betrachtet man Abbildung 5.6, so ist im Teilgebiet 2 ein flacher Bandkantenverlauf zu beobachten, sodaß das Tunneln der Elektronen vernachlässigt werden kann. Reicht die Energie der Elektronen, welche die Grenzfläche von links erreichen, aus, werden sie diese überqueren, andernfalls werden sie reflektiert. Mathematisch drückt sich die Vernachlässigung der Quanteneffekte in der Formulierung der Wahrscheinlichkeiten aus. Konnte tex2html_wrap_inline8896 bisher jeden Wert zwischen 0 und 1 annehmen, so sind jetzt nur mehr die exakten Werte 0 und 1 erlaubt. Das heißt, daß die Elektronen entsprechend ihrer Energie entweder transmittiert oder reflektiert werden. Für den in der Abbildung 5.6 gezeigten Fall gilt,

equation2247

Mit den Beziehungen (5.28) und (5.25) erhält man

equation2254

Daraus folgen die Erhaltungsgleichungen für die thermionische Emission:

equation5.39-5.40

Die ,,makroskopischen`` physikalischen Größen, wie der Ladungsträgerfluß und der Energiefluß über die Grenzfläche, können durch Berechnung der Momente der Verteilungsfunktion gewonnen werden. Nachdem für die Grenzflächenbedingungen nur die Flußgrößen benötigt werden, müssen die ungeraden Momente der Verteilungsfunktion berechnet werden. Da die oben abgeleiteten Gleichungen bereits einen Geschwindigkeitsterm enthalten, ist für ein ungerades Moment tex2html_wrap_inline8992 der Faktor tex2html_wrap_inline8994 gerade zu wählen. Es wird nun wie folgt vorgegangen:

  1. Es werden die Verteilungsfunktionen tex2html_wrap_inline8996 für die Teilgebiete gewählt.
  2. Einsetzen der Verteilungsfunktionen in die Erhaltungsgleichungen(5.39) und (5.40).
  3. Multiplizieren mit dem entsprechenden Moment tex2html_wrap_inline8994 .
  4. Integration bezüglich tex2html_wrap_inline8672 .
Für jede Grenzfläche und für jede physikalische Flußgröße werden zwei Gleichungen als Grenzflächenbedingung benötigt. Mit den Gleichungen (5.39) und (5.40) unter Berücksichtigung der Sprungfunktion durch entsprechende Wahl der Integrationsgrenzen, erhält man die Grenzflächenbedingungen für die Transportgleichungen:

equation5.41-5.42

Wird tex2html_wrap_inline9002 gewählt, erhält man die Teilchenstromdichte an der Grenzfläche, mit tex2html_wrap_inline9004 erhält man die Energiestromdichte an der Grenzfläche. Die entsprechenden Berechnungen für das thermionische Emissionsmodell finden sich im Abschnitt 5.2.2.


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