7.1 Leistungshalbleiterspezifika



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7.1 Leistungshalbleiterspezifika

Halbleiterbauelemente, die aufgrund hoher 'Dissipationsfähigkeit' große elektrische Leistungen beherrschen, werden Leistungshalbleiter genannt. Sie beruhen grundsätzlich auf denselben physikalischen Prinzipien wie informations- bzw. signalverarbeitende Niederspannungsbauelemente. Da Leistungshalbleiter gewöhnlich als elektronisch steuerbare Ventilbauelemente für Stromrichter verwendet werden, leisten sie jedoch grundsätzlich andere Dienste. Die an Ventilbauelemente gestellten Forderungen orientieren sich am Wunsch nach einem idealen, elektronisch steuerbaren Schalter: immer größere Ströme und Spannungen sollen mit immer größerer Schaltgeschwindigkeit bei möglichst geringen Schaltverlustleistungen und geringem Steueraufwand mit immer größerer Schaltfrequenz geschaltet werden können. Die spezifische Arbeitsweise von Leistungshalbleiterbauelementen kann durch wenige Kenngrößen charakterisiert werden. Die wichtigsten sind die Blockierspannung, der Durchlaßstrom und die maximale Schaltfrequenz [97].

Um eine hohe Blockierspannung zu garantieren, ist ein großes, nur schwach dotiertes Gebiet notwendig. Der hohe spezifische Widerstand behindert jedoch den Stromfluß im durchgeschalteten Zustand, wenn keine ausreichende Leitfähigkeitsmodulation z.B. durch Ladungsträgerinjektion erfolgt. Die Vergrößerung der Chipfläche ist die naheliegenste Möglichkeit, hohe Stromtragfähigkeit zu erreichen. Um eine Überhitzung des Bauelements zu vermeiden, muß die Selbsterwärmung reduziert werden und die Wärmeabfuhr zur Wärmesenke verbessert werden. Die Existenz eines großen, von Ladungsträgern überschwemmten Driftgebietes würde kurze Ausschaltzeiten verunmöglichen, könnten Rekombinationsprozesse die gespeicherte Minoritätsträgerladung nicht abbauen. Tatsächlich ist die Lebensdauerkontrolle durch Golddotierung oder Elektronenstrahlbehandlung ein typisches Beispiel spezifischer Leistungshalbleitertechnologien. Die höchste Arbeitsfrequenz ist im Gegensatz zu Niederspannungsbauelementen nicht nur durch die elektrische Zeitkonstante der Ladungsdynamik bestimmt, sondern zusätzlich durch Schaltverluste begrenzt.

Leider lassen sich gleichzeitig nur zwei der drei angegebenen Kenngrößen optimieren. Vergrößert man die Basisdicke erhält man hohe Spannungsfestigkeit um den Preis eines höheren spezifischen Widerstands. Eine große Trägerlebensdauer verkleinert den Durchlaßspannungsabfall, was jedoch andererseits zu einem Anstieg der Freiwerdezeit führt und die maximale Schaltfrequenz erniedrigt [94]. Aufgrund dieser Zielkonflikte stellt sich die Leistungshalbleiterentwicklung als vielfältige Optimierungsaufgabe dar.

Folgende Tabelle gibt einen Überblick über gebräuchliche abschaltbare Leistungshalbleiterbauelemente [95]:

Der unterste Leistungsbereich wird von MOSFET's abgedeckt. GTO-Thyristoren beherrschen den oberen Leistungsbereich. Unipolare Bauelemente weisen kurze Schaltzeiten auf und sind deshalb für hohe Schaltfrequenzen geeignet. Infolge der Spannungssteuerung ist ihre Steuerleistung klein. Sie sind bezüglich Temperaturfluktuationen stabil. Bipolare Bauelemente bieten die Möglichkeit der Leitfähigkeitsmodulation durch Ladungsträgerinjektion aus hochdotierten Gebieten (Emitter). Dadurch kann die Leitfähigkeit der schwach dotierten Gebiete um mehrere Zehnerpotenzen erhöht werden, sodaß hochsperrende Bauelemente mit hoher Stromtragfähigkeit möglich sind.

Für den einwandfreien Betrieb von Leistungshalbleitern sind drei Bedingungen zu erfüllen. Ein Steuergenerator muß die zur Ansteuerung des Leistungshalbleiters beim Ein- und Ausschalten notwendige Steuerleistung zur Verfügung stellen. Durch geeignete Beschaltung und Schutzeinrichtungen müssen unzulässige Strom- und Spannungsbeanspruchungen verhindert werden. Die Notwendigkeit, Art und Auslegung der Beschaltung ('snubber circuits' (Entlastungsschaltungen), 'clipper' (Überspannungsbegrenzung)) ist durch die das Schaltverhalten bestimmenden physikalischen Mechanismen und durch sie bedingte Grenzen für kritische Spannungs- und Stromanstiege gegeben. Weil Schaltvorgänge entscheidend von Induktivitäten beeinflußt werden, müssen Streuinduktivitäten minimiert werden. Die in Leistungshalbleitern auftretende Verlustwärme muß durch geeignete Kühlung abgeführt werden. Die Gesamtverluste setzen sich aus Durchlaßverlusten und Schaltverlusten zusammen. (Dazu kommen eventuell Verluste in der Beschaltung). Wegen der hohen Durchlaßspannung ergeben sich bei unipolaren Bauelementen hohe Durchlaßverluste. Die Gesamtverluste steigen jedoch wegen der geringen Schaltverluste mit der Schaltfrequenz nur mäßig an. Für bipolare Leistungshalbleiter gelten entgegengesetzte Verhältnisse.

Die Produktpalette der Leistungshalbleiter reicht vom Hochleistungshalbleiter als Einzelkomponente über Leistungsmodule (mit Sensoren für Überwachungs- und Schutzfunktionen) bis zu Systemkomponenten, die eine Kombination von Leistungs- und Informationsmodulen darstellen. Dabei ist ein zunehmender Grad der Integration festzustellen. Im Bereich der Ansteuerung von Leistungsschaltern zeichnet sich eine Verschiebung von der Leistungselektronik zur Mikroelektronik ab. Auch bei der Herstellung der Leistungshalbleiterchips findet eine verstärkte Anlehnung an die VLSI-Technologie statt. Sie erlaubt die Herstellung robuster mikrostrukturierter Leistungshalbleiterbauelemente, die auf einem Chip durch Parallelschaltung von über hunderttausend gleichartigen Zellstrukturen entstehen [143]. Leistungs-ICs, die integrierte Ansteuerungs- und Kontrollfunktionen (z.B. Temperatursensoren) bieten, werden als 'smart-power devices' oder intelligente Leistungshalbleiter bezeichnet.



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Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995