Kurzfassung

Mit der Miniaturisierung der MOS-Transistoren ist ein neues Phänomen zum Vorschein gekommen, welches als Negative Bias Temperature Instability (NBTI) bezeichnet wird und sich zu einem ernsthaften Zuverlässigkeits- bzw. Lebensdauerproblem entwickelt hat. Der komplexe Mechanismus hinter NBTI ist derzeit noch nicht vollständig geklärt. Es konnte jedoch Einigkeit darüber erzielt werden, dass Ladungsträger im Substrat von Oxidedefekten eingefangen werden und dort bis zum Ende der Stressperiode verbleiben. Dieser Vorgang ist mit einer Verschiebung der Schwellspannung verbunden, welche die Bauteilcharakteristiken beeinflusst und die Lebensdauer der Bauteile empfindlich verkürzt. Es wird vermutet, dass diese Ladungsträger während der Relaxationsphase wieder von den Oxiddefekten emittiert werden und daher die Schwellspannung wieder zu ihrem ursprünglichen Wert zurückkehrt. Die Einfang- und Emissionsprozesse während der Stress- sowie der Relaxationsphase werden als Charge-Trapping bezeichnet und rücken ins Zentrum der Untersuchungen dieser Arbeit.

Charge-Trapping basiert auf einem Transfer der Ladungsträger zwischen dem Kanal und den Defekten. Zahlreiche, in der Literatur vorgestellte Modelle beschreiben diesen Ladungstransfer auf unterschiedlichem theoretischen Niveau. Diese Modelle werden im Zuge dieser Arbeit hinsichtlich der NBTI nochmals überprüft und in einem bestehenden Bauteilsimulator zum Vergleich mit Experimenten eingebaut. Diese Evaluierung basiert auf einer Liste von Kriterien, welche die besonderen Merkmale des Bauteilverhaltens für zum Beispiel unterschiedliche Einsatztemperaturen, Gatespannungen oder Stresszeiten beinhalten.

Im einfachsten Modell basiert der Ladungstransfer auf elastischem Tunneln von Elektronen, welche ihre Energie während des bergangs beibehalten. Diese Art von Ladungstransfer bildet die Basis des Elastic-Tunneling-Models dar, welches als erste Möglichkeit für ein NBTI-Modell untersucht wird. Ein spezielles Augenmerk wurde dabei auf das Temperaturverhalten des Modells gelegt, was eine genauere Untersuchung der Quantisierungseffekte im Kanal eines MOS-Transistors erfordert. In den neuesten Bauteiltechnologien wurde die Oxiddicke auf ein paar wenige Nanometer reduziert, sodass frühere Untersuchungen um den Einfluss des Tunnelns vom und zum Gatekontakt erweitert werden müssen.

Ausgeklügeltere Konzepte berücksichtigen die Tatsache, dass die atomistische Defektkonfiguration eine entscheidende Rolle während eines Ladungstransfers spielt. Nachdem ein Defekt einen Ladungsträger vom Substrat eingefangen hat, unterzieht er sich einer Strukturrelaxation, welche eine Stärkung, eine Schwächung oder sogar einen Bruch von Atombindungen verursachen kann. Interessanterweise hat diese Relaxation auch eine Verschiebung des Traplevels zur Folge — eine Tatsache, die bisher unberücksichtigt geblieben ist. Mit Hilfe von First-Principles-Simulations kann gezeigt werden, dass einige Defekte eine solche Traplevelverschiebung aufweisen, deren Effekt auf die Trappingdynamik detailliert untersucht werden muss. Weiters, wird auch ein neues Modell entwickelt, welches diese Traplevelverschiebung berücksichtigt und basierend auf den zuvor genannten experimentellen Kriterien evaluiert wird.

Die realistischste Beschreibung des Ladungstransfers ist die Non-radiative-Multiphonon-Theory — ursprünglich für die Lichtabsorption von Molekülen entwickelt und später für den Ladungsträgereinfang und der Ladungsträgeremission in Festkörpern verallgemeinert. Diese Art von Prozessen setzt eine Aktivierung über eine thermische Barriere voraus und führt daher zu einer Temperaturabhängigkeit, die im Fall von elastischem Tunneln nicht vorhanden ist. In dieser Arbeit wird eine vereinfachte Variante dieses Prozesses für das Two-Stage-Model verwendet. In diesem wird Charge-Trapping mit einer Wasserstoffreaktion als gekoppelt angenommen. Auch wenn dieses erweiterte Modell erfolgreich die Verschiebung der Schwellspannung bei NBTI-Experimenten in Simulationen reproduzieren kann, spiegelt es gemäß der Time-Dependent-Defect-Spektroscopy (TDDS) nicht korrekt die mikroskopischen Prozesse wider. In einer erweiterten Variante des Two-Stage-Models wurde diese Schwäche durch ein Verfeinern der Beschreibung des Ladungstransfers und durch die Berücksichtigung von metastabilen Zuständen in diesem Modell behoben. Mit diesen Modifikationen liefert das verbesserte Two-Stage-Model eine Erklärung für die Rauschphänomene, welche in Random-Telegraph-Noise- und TDDS-Messungen beobachtet wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Charge-Trapping in NBTI für verschiedene Erklärungen des Ladungstransfers untersucht wurde. Es wird gezeigt, dass die verbesserte Variante des Two-Stage-Models konsistent mit einer Reihe von der in NBTI- und Rauschmessungen beobachteten Merkmalen ist. Aus diesem Grund wird dieses Modell als die beste Beschreibung von Charge-Trapping aus der heutigen Sicht angesehen.