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Fehlstellenunterstütztes Band zu Band-Tunneln  

Ein Effekt, der stark mit dem SRH Prozeß zusammenwirkt, ist der Effekt des fehlstellenunterstützten Band zu Band-Tunneln (TBB) [31]. Darunter versteht man eine von der Fehlstellenkonzentration abhängige Verstärkung der SRH Rekombinations/Generationsraten, die durch das lokale elektrische Feld verursacht wird. Abbildung 5.1 zeigt die Energieverhältnisse der Raumladungszone. Man erkennt, daß das von der Fehlstelle emittierte Elektron bei hohen Feldern nicht mehr die komplette Energiedifferenz zwischen dem Leitungsband und dem Fehlstelleniveau überwinden muß, sondern nur noch den Anteil P-P'. Die restliche Energiebarriere wird auf der Strecke P'-P'' durchtunnelt. Wechselt man von einem theoretischen Kastenpotential zu einem realistischeren Coulombpotential, so wird die zu überwindende Energiebarriere weiter reduziert. Dieser Effekt wird als POOLE-FRENKEL-Effekt bezeichnet [42].
  
Abbildung 5.1: Energieverhältnisse des Leitungsbandes und der Fehlstelle in der Raumladungszone.
\begin{figure}
\centering \includegraphics [width=6.5cm]{ps/tunnel.eps}
\begin{center}\begin{minipage}{0.75\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}

Modelliert wird das fehlstellenunterstützte Band zu Band-Tunneln durch die sog. Feldfaktoren $\Gamma_n$ und $\Gamma_p$. Die Faktoren liefern einen Korrekturterm zu den Lebensdauern $\tau_n$ und $\tau_p$ in (4.26)

 \begin{eqnarray}
R_{net}=\frac{n\cdot p-n_i^2}{\frac{\tau_p}{1+\Gamma_p(\vec{E})}(n+n1)+\frac{\tau_n}{1+\Gamma_p(\vec{E})}(p+p1)}\; .
\end{eqnarray} (5.1)

In MINIMOS-NT ist das fehlstellenunterstützte Tunnelmodell nach [70] und nach [33,57] implementiert.

Im Modell nach [70] hängen die Feldfaktoren nur von der lokalen Feldstärke E ab. Die Koeffizienten $\Gamma_n$ und $\Gamma_p$ werden über die Tunnelwahrscheinlichkeiten errechnet. Ein wesentlicher Punkt des Modells ist eine Fallunterscheidung, inwieweit der Tunnelvorgang bereits aus dem Grundzustand der Fehlstelle erfolgen kann. Ist die Sperrspannung am pn-Übergang höher als die Bandkantendifferenz, so ist die Lösung des Tunnelmodells grundsätzlich unterschiedlich von der Lösung niedriger Sperrspannungen. Bei niedrigen Feldern errechnen sich die Faktoren zu

 \begin{eqnarray}
\Gamma_{n,p}=\sqrt{\pi} \frac{\left\vert\vec{E}\right\vert}{E_{...
 ...dot \frac{\Delta E_n}{k_B \cdot 
T_L}\right) \right] \right\}\; ,
\end{eqnarray} (5.2)

wobei

 \begin{eqnarray}
\frac{\left\vert\vec{E}\right\vert}{E_{ref}}\leq \sqrt{\frac{\Delta E_n}{k_B \cdot T_L}}
\end{eqnarray} (5.3)

gilt.

Bei höheren Feldern erhält man

 \begin{eqnarray}
\Gamma_{n,p}\!\!&\!\!=\!\!&\!\!\sqrt{\pi \frac{\left\vert\vec{E...
 ...frac{\Delta E_n}{k_B \cdot T_L} 
\right)^{\frac{3}{4}}\right]\; .
\end{eqnarray} (5.4)

Die Ausdrücke für Eref und $ \Delta E_n/(k_B \cdot T_L)$ sind gegeben durch

 \begin{eqnarray}
E_{ref}=\frac{\sqrt{8\cdot m_{n,\mathrm{rel}}\cdot m_{0} \cdot k_B^3 T_L^3}}{q\cdot \hbar}
\end{eqnarray} (5.5)


 \begin{eqnarray}
\frac{\Delta E_n}{k_B\cdot T_L} = \left\{ \begin{array}{ll}
0 &...
 ..._B\cdot T_L}-\ln\frac{N_t}{n_i} & n \leq N_t 
\end{array} \right.
\end{eqnarray} (5.6)

mit

 \begin{eqnarray}
N_t=n_i \cdot \exp \left(\frac{E_t}{k_B \cdot T_L} \right)\; .
\end{eqnarray} (5.7)

Für die Löcher wird der entsprechende Ausdruck $\Delta E_p/k_B\cdot T_L$ ausgewertet, wobei der äquivalente Ausdruck für Nt durch

 \begin{eqnarray}
P_t=n_i \cdot \exp \left(\frac{-E_t}{k_B \cdot T_L} \right)
\end{eqnarray} (5.8)

zu ersetzen ist.

Das zweite nach [33,57] implementierte TBB Modell in MINIMOS-NT wird mit Hilfe der Multiphonontheorie hergeleitet. Die genaue theoretische Herleitung ist in [57] angeführt. Ausgangspunkt des Modells ist die Wechselwirkung der Gitterschwingungen (Phononen) mit den Ladungsträgern, die rekombiniert oder generiert werden. Dabei muß die im Falle der Rekombination frei werdende Energie durch mehrere Gitterphononen absorbiert werden. Die Wahrscheinlichkeiten, mit der solche Übergänge in Abhängigkeit der konstanten, lokalen Feldstärke stattfinden, werden herangezogen, um die Feldfaktoren zu berechnen. Als Ergebnis der Herleitung lassen sich die Feldfaktoren $\Gamma_n$ und $\Gamma_p$ ausdrücken als

 \begin{eqnarray}
\Gamma_{n,p}\!\!&\!\! =\!\! & \!\!\left(1+\frac{C_1^{3/2}\cdot ...
 ...L}-\frac{4}{3}\cdot \left(\frac{C_2}{C_1}\right)^{3/2}\right)\; .
\end{eqnarray} (5.9)

Die Koeffizienten C1, C2, C3 haben die Einheit einer Energie. Sie bestimmen sich zu

 \begin{eqnarray}
C_1=\left(\frac{q^2 \cdot \hbar^2 \cdot \vec{E}^2}{2 \cdot m_{\nu}}\right)^{1/3}
\end{eqnarray} (5.10)


 \begin{eqnarray}
C_2=E_{t,ref}-E_0=E_{t,ref}-2\cdot\sqrt{\varepsilon_F}\left[\sq...
 ...ref}+\varepsilon_R}-\sqrt{\varepsilon_F}\right]+\varepsilon_R\; ,
\end{eqnarray} (5.11)

wobei man die Größen $\varepsilon_F,\; \theta_{i,\vert\vert},\; \varepsilon_R$ durch

 \begin{eqnarray}
\varepsilon_F=\frac{(2\cdot \varepsilon_R \cdot k_B\cdot T_L)^2...
 ...bar\cdot m_{\nu}}\right)^{1/3}, \quad \varepsilon_R=3.5 \cdot C_3
\end{eqnarray} (5.12)

ausdrückt. Für C3 setzt man die effektive Phononenenergie

 \begin{eqnarray}
C_3=\hbar \cdot \omega_0=0.068 \;\mathrm{eV}\; .
\end{eqnarray} (5.13)

Das in MINIMOS-NT implementierte Modell für Silizium ist isotrop, d.h. die effektive Masse der Achsenrichtungen ist gleichgesetzt mit $m_{\nu}=m_{<111\gt}=0.26 \cdot m_{0}$. Eine weitere Näherung besteht darin, die effektiven Massen der Löcher und Elektronen gleichzusetzten [57]. Dies resultiert aus einer Ungenauigkeit der Annahme der effektiven Löchertunnelmasse. Setzt man das Energieniveau der Fehlstelle Et gleich dem intrinsischen Niveau, so ergibt sich bei gleichem Energieabstand des Valenz- und Leitungsbandes vom intrinsischen Niveau, daß sich das Fehlstellenenergieniveau in (5.11) und (5.9) zu Et,ref=Eg/2 errechnet. Die Größe Et,ref gibt dabei den charakteristischen Energieabstand des Leitungs- bzw. Valenzbandes zum Fehlstellenniveau an. Im allgemeinen Fall errechnet sich Et,ref für Elektronen zu

 \begin{eqnarray}
E_{t,ref}=\frac{E_g}{2}+\frac{3\cdot k_B\cdot T_L}{4}\cdot \mathrm{ln}\left(\frac{m_n}{m_p}\right)-E_{t} \; .
\end{eqnarray} (5.14)

Der äquivalente Ausdruck für Löcher lautet

 \begin{eqnarray}
E_{t,ref}=\frac{E_g}{2}-\frac{3\cdot k_B\cdot T_L}{4}\cdot \mathrm{ln}\left(\frac{m_n}{m_p}\right)+E_{t} \; .
\end{eqnarray} (5.15)

Bei hohen Feldern kann die Übergangsenergie E0 (5.11) negative Werte annehmen. Numerisch kann man das Problem dadurch umgehen, daß man das maximale elektrische Feld bei einer bestimmten Gittertemperatur begrenzt.

Die Abbildung 5.2 zeigt die Feldfaktoren $\Gamma_n$ und $\Gamma_p$ bei unterschiedlichen Gittertemperaturen. Bemerkenswert ist der starke Anstieg der Feldfaktoren bei abnehmender Temperatur.


  
Abbildung 5.2: Feldfaktoren $\Gamma_n=\Gamma_p$ für Silizium bei 200K, 300K und 500K in Abhängigkeit des Feldes. Das Fehlstellenenergieniveau ist gleich dem intrinsischen Niveau. Das Modell entspricht der Gleichung 5.9.
\begin{figure}
\centering \includegraphics [angle=-90, width=10.0cm]{ps/tbb.eps}...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}

Die Generation von Ladungsträgern in Raumladungszonen ist wesentlich von der Fehlstellendichte bestimmt, die in die Lebensdauern $\tau_n$ und $\tau_p$ eingeht. Oft werden moderne Halbleiterbauelemente jedoch möglichst defektfrei hergestellt, um Leckströme zu minimieren. Die Folge ist, daß die fehlstellenunterstützte Generation im Bereich hoher Felder durch den Effekt des direkten Band zu Band-Tunnelns überlagert wird.


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Martin Knaipp
1998-10-09