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1.3 Selbsterwärmungseffekte  

Unter Selbsterwärmungseffekten versteht man jene Bauteilerwärmung, die durch den Betrieb des Bauteils hervorgerufen wird. Dabei erfolgt die Erwärmung durch heiße Ladungsträger, die ihre thermische Energie an das Kristallgitter abgeben. Die heißen Ladungsträger sind zuvor durch das elektrische Feld im Bauteilinneren aufgeheizt worden.

Durch das eingeprägte elektrische Feld werden die Ladungsträger beschleunigt und nehmen dadurch kinetische Energie auf. Diese aufgenommene kinetische Energie wird durch elastische und inelastische Streuungen mit Gitteratomen in eine Temperatur (thermische Energie) umgewandelt. Je weiter die Ladungsträger in Richtung des elektrischen Feldes driften, umso größer ist die aufgenommene kinetische Energie und somit auch ihre Temperatur. Nur inelastische Streuprozesse sorgen dafür, daß bei der Streuung ein Teil der kinetischen Energie der Ladungsträger an das Streuzentrum (Streuatom) abgegeben wird. Dabei nimmt die kinetische Energie der Ladungsträger ab, die Temperatur des Ladungsträgers sinkt. Durch die nunmehr geringere kinetische Energie ist es dem Ladungsträger unmöglich, zu seinem Ausgangspunkt vor dem inelastischen Streuprozeß zurückzukehren. Der Ladungsträger ist entlang des Feldes ,,gedriftet``. Tatsächlich kann man überhaupt erst durch inelastische Streuprozesse einen Stromfluß erklären.

Um aus den mikroskopischen Effekten makroskopische Größen herleiten zu können, mit denen man ein Bauteil in einem herkömmlichen Bauteilsimulator beschreiben kann, sind die entsprechenden Größen mikroskopischer Vorgänge zu mitteln.

Die Effizienz, mit der ein Ladungsträger bei einem Stoß einen Teil seiner kinetischen Energie an das Kristallgitter abgibt, hängt von dessen Stoßparameter ab. Dieser gibt an, mit welcher Abweichung vom zentralen Stoß der inelastische Streuprozeß erfolgt. Man kennt heute eine Reihe von Streuprozessen [27], deren Einfluß stark von der kinetischen Energie der Ladungsträger abhängt. Integriert man nun über den Stoßparameter, so erhält man einen mittleren Energieübertrag der Teilchen auf das Streuatom für eine bestimmte kinetische Energie eines bestimmten Streuprozesses. Integriert man weiters über die kinetische Energieverteilung der Ladungsträger, so erhält man einen gemittelten Energieübertrag der Ladungsträger bei der entsprechenden Temperatur für einen bestimmten Streuprozeß. Anhand von Messungen weiß man, daß die Effizienz von Streuprozessen stark von der Gittertemperatur des Halbleiters abhängt.

Wie schnell die Ladungsträger dem angelegten Feld folgen, wird durch die Beweglichkeit $\mu$ beschrieben. Sie steht in direktem Zusammenhang mit der mittleren Impulsrelaxationszeit $\langle \tau_{m} \rangle$ und der mittleren Trägermasse $m^{\ast}$ des Teilchensystems


 \begin{eqnarray}
\mu = \frac{q \cdot \langle \tau_{m}(E) \rangle}{m^\ast}\; .
\end{eqnarray} (1.4)

Der Größe $m^{\ast}$ entspricht einer mittleren effektiven Masse (Kapitel 2), q entspricht der Elementarladung. Die Impulsrelaxationszeit $\tau_{m}(E)$ ist jene Zeit, in der das Teilchensystem mit der kinetischen Energie E nach Abschalten eines schwachen elektrischen Feldes wieder den Gleichgewichtszustand annimmt. Betrachtet werden dabei nur Teilchen einer bestimmten kinetischen Energie des Teilchensystems, wobei angenommen wird, daß der thermischen Energie ein kleiner Driftenergieanteil überlagert ist. Die Mittelwertbildung von $\tau_{m}(E)$ erfolgt durch Integration über den Energieraum. Die aus $\langle \tau_{m}(E) \rangle$ berechnete Beweglichkeit stellt bereits einen Mittelwert des Gesamtsystems dar. Genaugenommen gilt der errechnete Wert von $\tau_{m}(E)$ für Teilchen der Energie E, die beim Relaxationsvorgang nur elastisch gestreut werden [27].

Die beschriebenen Ausführungen zeigen, daß die mikroskopische Beschreibung der verschiedenen Streuprozesse relativ aufwendig ist und daß nur mit hohem Rechenaufwand geeignete, makroskopische Mittelwerte benötigter Größen für die Bauteilsimulation berechnet werden können. Die Methode der Monte-Carlo Simulation kann nach diesem Prinzip entsprechende Daten liefern. Sie ist jedoch aufgrund langer Rechenzeiten nur bedingt für die Bauteilsimulation einsetzbar. Auf der anderen Seite ist sie heute die genaueste Methode, die gesuchten Mittelwerte der entsprechenden mikroskopischen Größen auszuwerten.

Als Ergebnis erhält man z.B. Werte für die Beweglichkeit $\mu$ in Abhängigkeit der Träger- und Gittertemperatur [59]


 \begin{eqnarray}
\mu = \mu(T_L, T_{\nu},.. )\; .
\end{eqnarray} (1.5)

Für die Berechnung des Energieübertrages der Ladungsträger an das Gitter erhält man durch Diskretisierung des Stoßterms der BOLTZMANN-Transportgleichung (Kapitel 2) folgende Gleichung eines Trägersystems mit der Teilchendichte $\nu$


 \begin{eqnarray}
E(T_L, T_{\nu}, \nu) = \frac {3}{2} \cdot k_B\cdot \nu \cdot \frac {T_{\nu} - T_L}{\tau_{E}(T_{\nu}, T_L)}\; .
\end{eqnarray} (1.6)

Die Größe $\tau_{E}(T_{\nu}, T_L)$ ist wiederum ein Mittelwert $\langle \tau_{E}(E) \rangle$ über alle Energien und entspricht einer mittleren Energierelaxationszeit des entsprechenden Trägersystems. Entsprechende Werte für bestimmte Materialien liefert ebenfalls die Monte-Carlo Rechnung.

Die Größe $E(T_L, T_{\nu}, \nu)$ letztlich ist jene lokale Energie, mit der das Ladungsträgersystem das Gitter erwärmt. Sie ist die entscheidende Größe, aus der sich die Gesamtbauteilerwärmung errechnet.


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Martin Knaipp
1998-10-09