3.2 Die Gibbs Fundamentalform



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3.2 Die Gibbs Fundamentalform

Die Annahme des lokalen Gleichgewichts impliziert die Gültigkeit und damit die Anwendbarkeit der Gibbs Fundamentalgleichung (und aller thermostatischer Gesetze) für lokale Zustandsvariablen (2.159). Die Gibbs Fundamentalgleichung erlaubt es, eine Beziehung zwischen elektrodynamischen und thermodynamischen Größen herzustellen. Sie stellt das fehlende Glied zwischen der Elektrodynamik und der Thermodynamik dar. Die aus der Maxwellschen Theorie hergeleiteten Kontinuitätsgleichungen der Elektronen- und Löcherladung (3.22), (3.23) können mit dem Erhaltungssatz der totalen inneren Energie (3.31), einer Formulierung des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, zum Zweck der Bestimmung der Entropiebilanzgleichung für den Halbleiter gesetzmäßig verknüpft werden. Auf diese indirekte Weise kann mit Hilfe der in Form von Bilanzgleichungen beschriebenen Orts- und Zeitabhängigkeit der totalen inneren Energie und der Ladungsträgerkonzentrationen die Orts- und Zeitabhängigkeit der Entropie explizit bestimmt werden.

Die Bilanzgleichung der Entropie spielt innerhalb der Theorie der irreversiblen Thermodynamik eine fundamentale Rolle. Nach dem ersten Postulat der irreversiblen Thermodynamik (2.172) enthält die explizite Form der Entropiequelle die im System existierenden treibenden thermodynamischen Kräfte, die alle im System stattfindenden Prozesse in Gang halten.

Betrachtet man das Siliziumbauelement als ein thermodynamisches System, können im Hinblick auf den thermoelektrischen Transport drei lokale extensive Zustandsvariablen identifiziert werden, die Elektronenkonzentration , die Löcherkonzentration und die Entropiedichte . Weil , und auf das Einheitsvolumen bezogen sind, entfällt das Volumen als zusätzliche extensive Zustandvariable. Es ist zu beachten, daß die Wahl von , und keine Unterteilung des Halbleiters in die drei ihn konstituierenden Subsysteme Elektronensystem, Löchersystem und Phononensystem bedeutet. Zwar sind die Ladungsträger , eindeutig dem jeweiligen Trägersystem zuzuordnen, doch die Entropiedichte enthält Anteile aller drei Subsysteme des Halbleiters. Die Gibbsfunktion des thermodynamischen Systems 'Halbleiter-elektrisches Feld' ergibt sich, wenn die totale innere Energie als Funktion der unabhängigen, extensiven Variablen , , dargestellt wird:

 

Gl. (3.32) definiert alle unabhängigen, extensiven Variablen des Halbleiterbauelements im thermoelektrischen Problemkontext. Sie legt fest, wie Energie im Halbleiter ausgetauscht werden kann. Die totale innere Energie kann sich nur ändern, wenn sich durch Austauschvorgänge entweder Ladungsträgerkonzentrationen bzw. oder die Entropiedichte ändert.

Die Berechnung der Zeitableitung der totalen inneren Energie ergibt:

 

Definiert man intensive Variablen

 

ergibt sich für den Halbleiter folgende Form der Gibbs Fundamentalform:

 

ist die Temperatur, , bezeichnen Quasifermipotentiale der Elektronen und Löcher.

Gl. (3.35) beschreibt den Austauch von Wärmeenergie und elektrochemischer Energie. Während der Austausch elektrischer Energie an den Austausch elektrischer Ladung geknüpft ist, ändert sich die chemische Energie mit der Änderung von Stoffmengen. Im Halbleiter ist eine Änderung der chemischen Energie geladener Teilchen immer mit einer Änderung der elektrischen Energie verbunden. Der gleichzeitige Austausch elektrischer und chemischer Energie aufgrund eines Flusses geladener Teilchen wird in Gl. (3.35) mit Hilfe der elektrochemischen Potentiale (Quasiferminiveaus) , beschrieben, die dem thermodynamischen System 'Halbleiter-elektrisches Feld' zugeordnet werden.

Es ist zu beachten, daß in Gl. (3.32) angenommen wird, daß die Ladungsträgersysteme miteinander und mit dem Gittersystem thermisch im Gleichgewicht sind. Daraus folgt die Gleichheit von Gitter- und Ladungsträgertemperaturen in Gl. (3.34), (3.35). Heiße Ladungsträger können mit diesem Ansatz nicht beschrieben werden.

Die Annahme des lokalen Gleichgewichts impliziert auch die Gültigkeit der Gibbs-Duhem Relation. Sie behauptet das Verschwinden der Produktsumme der Zeitableitungen der intensiven Variablen mit den korrespondierenden extensiven Variablen [2].



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Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995