4.5 H-Theorem und lokale Entropieproduktion



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4.5 H-Theorem und lokale Entropieproduktion

Boltzmann hat gezeigt, daß in einem idealen Gas eine beliebige Anfangsverteilung der Moleküllagen und -geschwindigkeiten in einen Gleichgewichtszustand übergeht, in dem die Molekülgeschwindigkeiten dem Maxwellschen Gesetz gemäß verteilt sind. Der Beweis beruht darauf zu zeigen, daß eine mittels der Verteilungsfunktion definierte Größe niemals zunehmen kann, sondern immer abnehmen oder konstant bleiben muß, wenn der Boltzmanngleichung genügt [34]:

 

hat die Eigenschaft unter der Wirkung von Zusammenstößen solange abzunehmen, bis sich die Boltzmann-Maxwellsche Gleichgewichtsverteilung einstellt. Weil die Hilfsfunktion mit der Entropie in enger Beziehung steht, ist dieses Ergebnis dem Beweis äquivalent, daß die Entropie eines abgeschlossenen Systems nicht abnehmen kann. Auf diese Weise liefert das H-Theorem eine mikroskopische Deutung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.

Um das H-Theorem auf den thermoelektrischen Transport im Halbleiter anwenden zu können, muß eine Bilanzgleichung der Form (2.165) für ein mit Hilfe von Gl. (2.157) definiertes lokales ermittelt werden. Die zu (4.43) äquivalente lokale Formulierung des H-Theorem für kontinuierliche thermodynamische Systeme lautet:

 

Die Anwendung des H-Theorems auf Kristallelektronen verlangt die Verwendung der Fermi-Diracstatistik. Die Vernachlässigung des Verlustes von Elektronen durch Rekombinationsprozesse bedeutet eine Beschränkung auf die Erfassung der primär interessierenden vektoriellen Beiträge zur Entropieproduktion. Indem gezeigt wird, wie Stoßprozesse zu einem Anwachsen der Entropie führen, kann die Irreversibilität der im Halbleiter stattfindenden Transportprozesse erklärt werden. Dadurch ist es möglich, die Energieumwandlung, wie sie sich auf makroskopischer Ebene zeigt, mit im Halbleiter stattfindenden, mikroskopischen Prozessen in Beziehung zu setzen.

In der kinetischen Theorie ist definiert als [86], [180], [199]:

 

ist eine Hilfsgröße, die für Boltzmannteilchen den Wert , für Fermi-Diracteilchen und für Bose-Einsteinteilchen annimmt. Leitet man Gl. (4.45) nach der Zeit ab, ergibt sich:

 

Die Zeitableitung der Verteilungsfunktion kann mit Hilfe der Boltzmanngleichung (2.74) ausgedrückt werden:

 

Das Integral des -Terms kann in ein Oberflächenintegral über die unendlich ferne Kugel im -Raum umgewandelt werden. Da dort - wegen der Endlichkeit der Energie - verschwindet, ist das Integral null. Formt man die verbleibenden Ausdrücke in Gl. (4.47) um, erhält man die gesuchte Bilanzgleichung für :

 

Das Integral der linken Seite entspricht der Divergenz von . Die rechte Seite von Gl. (4.48) stellt den Quellterm dar.

ist auf einfache Weise mit der Entropiedichte verknüpft [199]: . Linearisiert man Gl. (4.48) und multipliziert mit , erhält man die Entropiebilanzgleichung der kinetischen Theorie. Die Entropiequellstärke folgt unmittelbar aus: .

Der Stoßterm in Gl. (4.48) kann mit Hilfe des Strömungsvektors ausgedrückt werden. Gl. (2.82) läßt sich unter Berücksichtigung von Gl. (2.76) folgendermaßen umformen:

 

Für Fermi-Diracteilchen () vereinfacht sich der Klammerausdruck der rechten Seite der Bilanzgleichung (4.48). Entwickelt man ihn um die Gleichgewichtsverteilungsfunktion erhält man [199]:

 

Nur der letzte Term liefert einen Beitrag zur Entropieproduktion. Faßt man die Ergebnisse zusammen, läßt sich mit Hilfe von Gl. (4.49) und (4.50) die Entropiequelle ermitteln:

 

Weil der Strömungsvektor nach Gl. (2.82) den treibenden Kräften proportional ist, erlauben Gl. (2.83), (2.84), (2.85), (2.86), (2.87) unmittelbar, die Entropieproduktion (4.51) in die Form konjugierter thermodynamischer Flüsse und Kräfte zu bringen:

         

Der besondere Vorteil dieser Formulierung ist die Möglichkeit, Zusammenhänge zwischen (makroskopischen) Energien und Energiestromdichten des Elektronensystems mit (mikroskopischen) Energien des einzelnen Elektrons herzustellen. Somit kann die physikalische Bedeutung von Größen der irreversiblen Thermodynamik mit den Mitteln der kinetischen Theorie transparent gemacht werden.

Gl. (4.57), (4.58), (4.59), (4.60) enthalten Flußgrößen, die den treibenden Kräften konjugiert sind. Gl. (4.57) ist sowohl Gl. (4.52) als auch (4.53) zuzuordnen. bezeichnet den Teilchenstrom der Elektronen nach Gl. (2.37). Der Gesamtenergiefluß (Fluß der totalen inneren Energie) des Elektronensystems ist durch die Definitionsgleichung (2.39) mit der Gesamtenergie des einzelnen Elektrons verknüpft. Der Fluß der inneren Energie (im eigentlichen Sinn) des Elektronensystems kann mit Hilfe der kinetischen Energie des einzelnen Elektrons definiert werden:

 

Die Entropiestromdichte ist:

 

folgt auch aus Gl. (4.48), wenn der Integrand der linken Seite um entwickelt wird (mit ) [199]. Vergleicht man die Definition der Entropiestromdichte (4.62) mit der Definition der Gesamtstromdichte (2.39) bzw. dem Fluß der inneren Energie (4.61), ergeben sich folgende Zusammenhänge:

 

Gl. (4.63) bestätigt die makroskopische Definition der Wärmeflüsse (4.28), (4.29) und (3.37). In der formalen Transporttheorie wird der Wärmestrom in Übereinstimmung mit Gl. (4.63) in Anlehnung an die Gibbs Fundamentalform bzw. eingeführt [120], [121], [153], [197]. Die (makroskopische) Gesamtenergie (totale innere Energie) des Elektronensystems entspricht der (mikroskopischen) Gesamtenergie des einzelnen Elektrons im Banddiagramm. Die (makroskopische) innere Energie (im engen Sinn) kann der (mikroskopischen) kinetischen Energie zugeordnet werden.



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Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995