7.3.2 Das thermoelektrische Gleichgewicht



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7.3.2 Das thermoelektrische Gleichgewicht

Der Durchlaßbereich liefert den überwiegenden Teil der anfallenden Verlustwärme [80]. Bei gegebener Kühlung ist der Dauergrenzstrom durch die Durchlaßspannung bestimmt. Sie ist verkehrtproportional zur effektiven Lebensdauer, die eine Funktion der Auger-Koeffizienten (3.124) und der Shockley-Read-Hall-Lebensdauern (3.120) darstellt [189].

Die Betriebstemperatur des Bauelements stellt einen strombegrenzenden Faktor im durchgeschalteten Thyristor dar [3]. Die Fermipotentiale (bzw. eingebauten Potentiale) werden mit zunehmender Temperatur kleiner. Daraus müßte sich bei gleichem Anodenstrom eine Erniedrigung der Durchlaßspannung ergeben. Allerdings wird dieser Effekt durch einen zusätzlichen Spannungsabfall in den Basisgebieten überkompensiert, weil in den Mittelgebieten der Beitrag des Rekombinationsstroms zum Gesamtstrom abnimmt. Insgesamt nimmt mit zunehmender Temperatur die Speicherladung in den Mittelgebieten ab, was eine höhere Vorwärtsspannung bedingt. Dieser Effekt wird bei weiterer Temperaturerhöhung durch die Abnahme der Trägerbeweglichkeit verstärkt.

Die Abhängigkeit der Vorwärtsspannung von der Betriebstemperatur wirkt zunächst stabilisierend [97]. Wenn sich ein Gebiet des Bauelements erwärmt, nimmt dort die Stromdichte verglichen mit kälteren Gebieten ab. Aufgrund dieser negativen Rückkopplung versucht das Bauelement die Gleichverteilung von Strom und Temperatur wiederherzustellen. Erst bei hohen Temperaturen, wenn die intrinsische Ladungsträgerkonzentration gegenüber der Überschußkonzentration nicht mehr vernachlässigt werden kann, kommt es zu einer Destabilisierung (der kritische Temperaturbereich ist Grad Celsius).

Konventionelle isothermische Simulationen setzen ideale Kühlbedingungen voraus. Tatsächlich ist die Wärmeabfuhr begrenzt, auch wenn sie sehr gut ist. In der Folge wird das Problem der thermoelektrischen Stabilität eines GTO-Thyristors im eingeschalteten Zustand untersucht. Die Angaben zur Problemspezifikation stammen aus [138], [139]. Es handelt sich um eine Emitterzelle eines TOSHIBA 600V-600A GTO-Thyristors. Die Scheibendicke beträgt . Die gesamte Emitterfläche des Thyristors ist groß.

Das Simulationsgebiet umfaßt eine Hälfte einer symmetrischen Thyristorzelle. Es ist lang und breit. Abb. 7.1 zeigt die Abmessungen des -Emittergebietes, der -Basis, der -Basis und des -Anodenbereichs (von links nach rechts). Der Anodenkontakt erstreckt sich über die gesamte rechte Seite und ist lang. Der Emitter am linken Rand ist kürzer (). Im Unterschied zu [138], [139] ist das Simulationsgebiet in Abb. 7.1 nichtplanar. Es ist zu beachten, daß das Rechteck an der linken unteren Ecke nicht mehr zum Thyristor gehört (nichtplanare -Basis). Das -Basisgebiet ist lang. Die Grunddotierung beträgt . Die Oberflächendotierung des -Emitters beträgt , die der Anode und der -Basis . Abb. 7.2 zeigt den Logarithmus der Dotierung im Simulationsgebiet. Er wird in -dotierten Gebieten negativ aufgetragen. An der Vorderseite ist das hochdotierte Emittergebiet zu erkennen.

  
Abbildung 7.1: Abmessungen des Simulationsgebietes in

  
Abbildung 7.2: Dotierstoffkonzentration []

Zuerst wird - wie in [138], [139] - die stationäre elektrische Lösung für einen Arbeitspunkt der Durchlaßkennlinie berechnet. teilen sich auf einen ohmschen Lastwiderstand und den Thyristor auf. Bei einem Anodenstrom von beträgt die Durchlaßspannung . Die Verjüngung des Simulationsgebietes zum Emitter hin bedingt eine signifikante Stromeinschnürung.

  
Abbildung 7.3: Potential [], ,

  
Abbildung 7.4: Elektronenkonzentration [], ,

  
Abbildung 7.5: Löcherkonzentration [], ,

  
Abbildung 7.6: Gesamtstromdichte [], ,

Abb. 7.3 zeigt das elektrostatische Potential. In Abb. 7.4 und 7.5 ist der Logarithmus der Elektronen- und Löcherkonzentration dargestellt. In beiden Basisgebieten herrschen Hochinjektionsverhältnisse. Die Elektronen- und Löcherkonzentrationen haben dieselbe Größenordnung, sodaß das Elektron-Loch-Plasma als quasineutral betrachtet werden kann. Das Konzentrationsniveau in den Basisgebieten ist wesentlich höher als die Grunddotierung. Deshalb erfolgt der Potentialabfall im -Basisgebiet nahezu linear. Das Mittelgebiet des Thyristors stellt einen ohmschen Widerstand dar.

Abb. 7.6 zeigt außer der erhöhten Emitterstromdichte eine auffällige lokale Konzentration des Stromes an der Ecke des nichtplanaren Teils der -Basis.

Die isothermische elektrische Lösung bildet den Ausgangspunkt der thermoelektrischen Stabilitätsuntersuchung. Das elektrische Teilsystem befindet sich für sich im stationären Zustand. Die von der Energiedissipation verursachten Selbsterwärmungsprozesse sind jedoch noch nicht abgeschlossen. In [138], [139] bildet die stationäre Lösung den Ausgangspunkt für die Untersuchung des elektrischen Ausschaltverhaltens des Thyristors mit ohmscher Last, unter Berücksichtigung von Selbsterwärmungseffekten. Im Gegensatz dazu wird in dieser Arbeit untersucht, ob und wie sich in Abhängigkeit gegebener Kühlbedingungen ein dynamisches, thermoelektrisches Gleichgewicht einstellt. Das primäre Interesse gilt dem thermischen und thermisch induzierten elektrischen Verhalten bzw. der Frage, ob eine stationäre Lösung des thermoelektrischen Problems existiert. Zu diesem Zweck wird die transiente Wärmeflußgleichung zusammen mit den stationären Ladungsträgerkontinuitätsgleichungen gelöst. Um die Signifikanz der in Gl. (3.98) enthaltenen Beiträge zur Wärmegeneration zu zeigen, werden die Simulationen zu Vergleichszwecken auch mit einem heuristischen Modell der Wärmegeneration durchgeführt, das nur Joulsche Verluste und die Rekombinationswärme berücksichtigt [3], [168]:

 

In Gl. (7.1) ist zu beachten, daß die Joulewärme mit der elektrischen Feldstärke als treibender Kraft berechnet wird. Die Rekombinationswärme berücksichtigt nur den Beitrag des Bandabstandes.

In der ersten Serie von Simulationen werden sehr gute Kühlbedingungen angenommen. Für die Wärmeübergangszahl wird der Wert gewählt [3], [191]. Die Temperatur der Wärmesenke beträgt in allen Simulationen . Es wird doppelseitige Kühlung angenommen.

Abb. 7.7 zeigt die zeitliche Entwicklung der maximalen und minimalen Temperatur im Inneren des Thyristors. Nach ungefähr drei Millisekunden kommt der Selbsterwärmungsvorgang zum Stillstand. Es stellt sich ein stationärer thermoelektrischer Zustand ein. Dieser Zustand stellt ein dynamisches Gleichgewicht zwischen dem elektrischen und thermischen Teilsystem dar. Die Wärmesenke nimmt die gesamte dissipierte Leistung auf. Die numerischen Ergebnisse in Abb. 7.7 stimmen sehr gut mit der analytischen Lösung eines äquivalenten, vereinfachten, thermischen Ersatzschaltkreises überein, der aus der Wärmekapazität und einem externen und internen Wärmewiderstand besteht. Wenn man dem thermischen 'Netzwerk' zum Zeitpunkt die Verlustleistung sprungförmig einprägt, ergibt sich mit der Anfangsbedingung ein zeitlicher Temperaturanstieg, der folgender Funktion gehorcht:

 

Gl. (7.2) stellt sozusagen die Sprungantwort des thermischen Systems dar. Infolge der Wärmeträgheit des Bauelements (spezifische Wärme, Massendichte) folgt die Bauelementtemperatur der Verlustleistung verzögert. ergibt sich durch Integration der Wärmegeneration über das gesamte Bauelementvolumen. stellt den gesamten thermischen Widerstand (inneren und äußeren) dar. Das Produkt bestimmt die charakteristische Zeit der Selbsterwärmung (thermische Zeitkonstante) .

  
Abbildung 7.7: Zeitliche Entwicklung der maximalen und minimalen Thyristortemperatur (, )

Der Thyristor nimmt elektrische Energie auf und gibt Wärme an die Umgebung ab. Innerhalb des Bauelements finden Energiekonversionsprozesse statt. Die thermoelektrische Wechselwirkung stellt einen geschlossenen Wirkungskreislauf dar. Die Dissipation elektrischer Energie führt zu einer verzögerten Temperaturerhöhung. Die charakteristische Zeit der Selbsterwärmung bestimmt, wie schnell sich Verlustleistungsänderungen thermisch auswirken, d.h. wie schnell die thermische Wirkung der elektrischen Ursache folgt. Umgekehrt bedingt eine Temperaturänderung eine Änderung der abhängigen elektrischen Variablen (eingebautes Potential, Elektronen- und Löcherkonzentration) sowie physikalischer elektrischer Parameter. Die elektrische Wirkung thermischer Ursachen stellt sich instantan ein. Ein stationärer thermoelektrischer Arbeitspunkt ist nur dann stabil, wenn die Zunahme der abgeführten Verlustleistung mit wachsender Temperatur größer ist als die Zunahme der durch Wärmegeneration zugeführten Verlustleistung (mit wachsender Temperatur).

  
Abbildung 7.8: Temperaturerhöhung in Kelvin nach Sekunden

  
Abbildung: 7.9 Temperaturerhöhung in Kelvin nach Sekunden

  
Abbildung: 7.10 Temperaturerhöhung in Kelvin nach Sekunden (heuristisches Modell)

Abb. 7.8-7.10 sind Schnappschüsse der Temperaturerhöhung im Inneren des Thyristors nach und Sekunden. Nur zu Beginn des Selbsterwärmungsprozesses treten hohe Temperaturgradienten auf, allerdings bei niedrigen absoluten Temperaturdifferenzen . Mit zunehmender Erwärmung flacht das Temperaturprofil ab. Aus Abb. 7.7 ist zu ersehen, daß das thermodynamische Modell der Wärmegeneration höhere Maximaltemperaturwerte liefert als das heuristische Modell. Ein Vergleich von Abb. 7.9 und Abb. 7.10 zeigt, daß im Fall des thermodynamischen Modells das Temperaturprofil im gesamten Bereich höher liegt.



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Martin Stiftinger
Sat Jun 10 15:00:12 MET DST 1995