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6 Gittertemperaturabhängige Stoßionisation  

Stoßionisation von Ladungsträgern ist neben dem Auftreten von Leckströmen eine weitere wesentliche Ursache für ein Verlassen des Spezifikationsbereiches eines Bauteils. Bei der Stoßionisation generieren energiereiche Ladungsträger Trägerpaare, die einen erhöhten Stromfluß zur Folge haben. Dabei muß die Energie des ionisierenden Teilchens über einer gewissen Schwellenenergie Ethr liegen, um das zu generierende Trägerpaar aus dem Atomverband lösen zu können. Der ionisierende Ladungsträger verliert bei dem Prozeß mindestens jene Energie, die dem Bandabstand des generierten Trägerpaares entspricht.

Generieren die erzeugten Ladungsträger ihrerseits wieder Trägerpaare durch Ionisationsprozesse, dann führt dies zu einem lawinenartigen Anstieg von Ladungsträgern im Bauteil. So kann ein energiereicher Elektronenstrahl im Halbleiter viele Sekundärladungsträger generieren, die ihrerseits genug Energie haben, um viele weitere Trägerpaare zu generieren. Die Anzahl der generierten Ladungsträger ist dabei begrenzt und hängt entscheidend von der Energie des einfallenden Elektronenstrahles ab. Erst wenn generierte Ladungsträger in der Lage sind, die Energie zur erneuten Ionisation durch interne elektrische Felder aufzunehmen, ist es möglich, eine Kettenreaktion in Gang zu setzten, die sich im sogenannten Lawinendurchbruch des Bauteils niederschlägt. Wesentlich dabei ist, daß zwei Typen von Ladungsträgern beteiligt sind, die entgegengesetzt durch den Bauteil driften. Durch die Energieaufnahme im elektrischen Feld ist das Generationsmaximum von Elektronen und Löchern im Bauteil an unterschiedlichen Orten lokalisiert. Beim Lawinendurchbruch ist entscheidend, daß die kalten, von Löchern generierten Elektronen genug Energie aufnehmen können, um innerhalb der Hochfeldregion wiederum einen Ionisationsprozeß auszuführen.

Das größte Problem bei der Simulation von Stoßionisationsprozessen mit dem hydrodynamischen oder dem Drift-Diffusionsmodell stellt dabei die lokale Abweichung der Ladungsträgerenergie vom Gleichgewichtszustand dar. In diesen Bauteilsimulatoren wird das Auftreten von energiereichen und energiearmen Ladungsträgern durch eine mittlere Energie beschrieben, die oft durch eine lokale Größe bestimmt wird. Als Folge von Ionisationsprozessen hängt die Form der Energieverteilungsfunktion jedoch stark vom betrachteten Ort ab. Eine ausführliche Abhandlung dieser Problematik ist in [20] nachzulesen. Um den Anteil von heißen bzw. kalten Ladungsträgern abschätzen zu können, ist deshalb Information über die Ionisationsprozesse in der Nachbarschaft des betrachteten Punktes nötig [28,46].

Ausgangspunkt jedes Stoßionisationsmodells ist die Abschätzung der lokalen Trägerenergie. Verwendet man ein Drift-Diffusions Modell zur Berechnung der Ionisationsraten, so wird die Trägerenergie durch das lokale Feld berechnet. Dabei werden jedoch mögliche, durch das elektrische Feld auftretende, nichtlokale Effekte vernachlässigt. Aus diesem Grund liegt es nahe, die Trägertemperatur eines hydrodynamischen Modells als Energieabschätzung heranzuziehen. Im Drift-Diffusionsmodell sind die errechneten lokalen Generationsraten proportional der Teilchenstromdichte, im hydrodynamischen Modell proportional zur Teilchenkonzentration. Die Abhängigkeit der Generationsraten vom Energiefluß (Temperatur) und der Teilchenstromdichte berücksichtigt jedoch indirekt nichtlokale Abhängigkeiten. Grundlage für diese Nichtlokalität ist wiederum die Annahme einer ortsunabhängigen Verteilungsfunktion, die in vielen Publikationen durch eine MAXWELL-BOLTZMANN-Verteilung (MB) angenommen wird.

Ein möglicher Ansatzpunkt, ortsveränderliche Verteilungsfunktionen mitzuberücksichtigen, besteht darin, mehrere Energiesysteme für jeden Ladungsträgertyp einzuführen [4,69]. Jedes Subsystem wird dabei durch eine ortsunabhängige Verteilung beschrieben, wobei die Summe der Verteilungsfunktionen der Subsysteme möglichst jener lokalen Verteilungsfunktion entsprechen soll, die die Monte-Carlo Simulation als Ergebnis des betreffenden Arbeitspunktes liefert. Wählt man zwei Energiesysteme pro Ladungsträgertyp, so formuliert man zweckmäßigerweise ein Hochenergiesystem mit einer mittleren Energie über der Ionisationsschwellenenergie, während das zweite System die Ladungsträger mit niedrigerer Energie beschreibt. Die Wechselwirkungen zwischen den Systemen werden durch die Ionisationsrate des Hochenergiesystems beschrieben, sowie von Feldtermen, die einen Ladungsträgeraustausch zwischen den Systemen ermöglichen. Die Verwendung mehrerer Energiesysteme pro Ladungsträgertyp erhöht den Aufwand der Simulation, da zusätzliche Gleichungssysteme über dem Simulationsgitter gelöst werden müssen. Die neuen Energiesysteme müssen weiters durch realistische Energieaustauschterme beschrieben werden, die durch Monte-Carlo Simulationen des betreffenden Bauteils ermittelt werden. Letztlich stellt sich die Frage nach der Anzahl der Subenergiesysteme.

Die weitere Formulierung der Stoßionisation in dieser Arbeit befaßt sich mit der Simulation eines Energiesystems pro Ladungsträgertyp. In diesem Zusammenhang soll jedoch auf die Grenzen der gültigen Modelle hingewiesen werden.



 
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Martin Knaipp
1998-10-09