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Verspannungsabhängigkeit im Hochfeldtransport

 Mechanische Spannung bewirkt Anisotropie  im Hochfeldtransport. Zunächst gilt es, sich die verschiedenen für die Richtungsabhängigkeit des Ladungsträgertransports verantwortlichen Ursachen klarzumachen. Aufgrund der ellipsoidalen Bandcharakteristik der L und X Täler in kubischen HL treten im nichtlinearen Transportbereich inhärent Anisotropieeffekte auf [42]. So beobachtet man eine Abhängigkeit des Betrages der Driftgeschwindigkeit von der Orientierung des elektrischen Feldes zu den kristallographischen Hauptachsen des Gitters. Dies nennt man longitudinale Anisotropie . In Si etwa ist $v_{\mathrm{d}}$ in $\langle 111\rangle$ größer als in $\langle 100\rangle$ Richtung, in Ge verhält es sich umgekehrt. Außerdem stimmen die Richtungen der Ladungsträgerdrift und daher der resultierenden Stromdichte nicht zwingend mit der Feldrichtung überein, der Winkel zwischen beiden steigt ebenfalls mit der Feldstärke. Dieser transversale Anisotropie  genannte Effekt verschwindet, wenn das Feld in einer Vorzugsrichtung mit Rotationssymmetrie, also $\langle 100\rangle$, $\langle 110\rangle$ oder $\langle 111\rangle$, liegt. Beide Erscheinungen beruhen auf der Richtungsabhängigkeit der effektiven Masse einerseits und dem Vorhandensein mehrerer energetisch äquivalenter Täler im k-Raum andererseits. Ihre Stärke wächst mit steigendem Feld und sinkender Temperatur. Unter dem Einfluß mechanischer Spannung tritt zusätzlich Anisotropie des Stromtransports auch in den vorher äquivalenten Hauptachsenrichtungen des Kristallsystems auf . Die energetische Verschiebung der einzelnen Täler unter dem Einfluß der mechanischen Spannung ändert die Besetzungsverhältnisse und hat aufgrund der verschiedenen Massen daher auch Auswirkungen auf die Hochfeldtransporteigenschaften [110]. Dies wird in der Folge untersucht. Im allgemeinen anisotropen Fall entspricht die tensorielle Beweglichkeit also einer vollbesetzten Matrix, deren Komponenten zusätzlich auch richtungsabhängig sind. Im linearen Ohmschen Bereich verschwinden die Nebendiagonalelemente, im unverspannten HL erhält man schließlich eine skalare Größe.

Im Rahmen der MC Simulation wird die Zwischentalstreuung  aufgeteilt in Übergänge zwischen energieentarteten Tälern eines Bandminimums und Übergänge zwischen energetisch verschiedenen Bandminima. Erstere nennt man äquivalente Zwischentalstreuung, sie ist möglich im L und X Minimum, zweitere heißen nichtäquivalente Zwischentalstreuung und können zwischen allen Minima auftreten ($\varGamma$-L, $\varGamma$-X, L-X und umgekehrt). Dabei ist die Streurate jeweils proportional zur Anzahl der Endtäler im betreffenden Minimum. Für verspannte HL ist diese formale Auftrennung natürlich nicht sinnvoll, da jedes Tal im Prinzip eine unterschiedliche Minimumenergie aufweisen kann. Daher muß jedes Tal als eigenes Minimum behandelt werden. Es gibt sozusagen nur mehr nichtäquivalente Streuung zwischen beliebigen Tälern ($\varGamma$-$L^{111}\ldots$, $\varGamma$-$X^{100}\ldots$, X100-$X^{010}\ldots$, $\ldots$), die Anzahl der Endtäler reduziert sich auf Eins.

Als Beispiel ist die $v_{\mathrm{d}}$(F) Charakteristik in Ga0.75In0.25As für pseudomorphes Wachstum auf GaAs (Abbildung 6.31) und InP (Abbildung 6.32), jeweils in Parallel- und Normalrichtung zur (001) Grenzfläche, im Vergleich zum unverspannten Fall dargestellt. Die Deformation ist in diesem Material in beiden Fällen betragsmäßig ungefähr gleich, sodaß sich ein interessanter Vergleich zwischen der kompressiven (auf GaAs: $e_\Vert=-0.018$) und tensilen (auf InP: $e_\Vert=+0.020$) Belastung ergibt. Abgesehen von der Erhöhung von $v_{\mathrm{d}}$ bei niedrigem Feld unter biaxialer Dehnung sowie der Reduktion unter Kompression, wie sie schon beim Verspannungseinfluß auf die Nullfeldbeweglichkeit in Abschnitt 6.1.8 behandelt wurden, beobachtet man in beiden Fällen eine Degradation des Hochfeldtransports. Die Reduktion von $v_{\mathrm{d}}$ ist bei Kompression ausgeprägter, wie auch die Anisotropie zwischen Parallel- und Normaltransport. Dies beruht auf der Änderung der Population der Täler. In Abbildung 6.33 sind die relativen Besetzungen der $\varGamma$, L und X Minima dargestellt. Da die Besetzung der Täler unabhängig von der Richtung des elektrischen Feldes ist, ist jeweils nur eine Kurvenschar gezeigt. Im Vergleich zum unverspannten Fall werden die X Minima schon bei wesentlich geringeren Feldern populiert. Da die Energiedifferenz der X100 und X010 Täler zu $\varGamma$ für $e_\Vert<0$ stärker sinkt als der Abstand von X001 zu $\varGamma$ für $e_\Vert\gt$ (vgl. Abbildung 5.2), ist der Effekt im Kompressionsfall deutlich stärker.


  
Abbildung 6.31: Driftgeschwindigkeit in Ga0.75In0.25As für pseudomorphe Verspannung auf GaAs als Funktion des elektrischen Feldes
\begin{figure}
 \epsfxsize0.90\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/Ga75In25As_GaA...
 ...enter}
 \begin{minipage}{0.72\textwidth} \end{minipage} \end{center}\end{figure}


  
Abbildung 6.32: Driftgeschwindigkeit in Ga0.75In0.25As für pseudomorphe Verspannung auf InP als Funktion des elektrischen Feldes
\begin{figure}
 \epsfxsize0.90\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/Ga75In25As_InP...
 ...enter}
 \begin{minipage}{0.72\textwidth} \end{minipage} \end{center}\end{figure}


  
Abbildung 6.33: Relative Population der Minima in unverspanntem Ga0.75In0.25As (Mitte) und für pseudomorphe Verspannung auf GaAs (oben) und InP (unten) als Funktion des elektrischen Feldes
\begin{figure}
 \epsfysize0.29\textheight
 \centerline{\epsfbox{ps/Ga75In25As_Ga...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}

Die unterschiedlichen Verläufe für Parallel- und Normalrichtung, also die Anisotropie, erklärt sich wieder aus den verschiedenen longitudinalen und transversalen effektiven Massen. Folgendes Beispiel soll zur Erläuterung dienen: Bei biaxialer Kompression sind die X100 und X010 Täler dominant populiert. So bestimmt für F in [001] Richtung (normal zur Grenzfläche) die transversale Masse mtX die Driftgeschwindigkeit in X, während für Felder in [100] oder [010] Richtung (parallel zur Grenzfläche) das arithmetische Mittel ${\textstyle {1\over 2}}\,({m_{t}^{X}}+{m_{l}^{X}})$ maßgeblich ist. Im zweiten Fall ist $v_{\mathrm{d}}$ wegen mlX>mtX niedriger. Unter den Annahmen, daß $v_{\mathrm{d}}$ in den einzelnen Minima umgekehrt proportional zu deren Massen ist und daß alle Minima im Verhältnis ihrer Population zur Gesamtdriftgeschwindigkeit beitragen, errechnet man für die maximale Besetzung von X, die bei $50\,\mathrm{kV}/\mathrm{cm}$ auftritt (Abbildung 6.33), ein Verhältnis der Parallel- zur Normalkomponente von $v_{\mathrm{d}}$ von 3:4. Dieser Wert stimmt sehr gut mit den MC Simulationsergebnissen überein (Abbildung 6.31) und stellt gleichzeitig die maximale Anisotropie für diese Materialkombination dar. Die $\varGamma$ und L Minima liefern dabei für alle $\langle 100\rangle$ Richtungen gleich große Beiträge, tragen also nicht zur Anisotropie bei.

Zum Abschluß wird noch die Änderung des Transportverhaltens für pseudomorphes GaxIn1-xAs auf GaAs in Abhängigkeit von der Legierungskonzentration, und damit von der Verspannung, als Funktion der elektrischen Feldstärke demonstriert. Abbildung 6.34 zeigt den für HEMT wichtigen Fall des Transports parallel zur Grenzfläche und in Abbildung 6.35 ist der Normaltransport dargestellt, wie er für HBT maßgeblich ist. Die Driftgeschwindigkeit, die im unverspannten Fall aufgrund der Legierungszusammensetzung leicht unter der von reinem GaAs liegenden würde[*], wird mit zunehmender Verspannung deutlich verringert, auch die Anisotropie nimmt zu.


  
Abbildung 6.34: Driftgeschwindigkeit parallel zur Grenzfläche in GaxIn1-xAs für pseudomorphe Verspannung auf GaAs als Funktion des elektrischen Feldes
\begin{figure}
 \epsfxsize0.90\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/GaInAs_GaAs_vE...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}


  
Abbildung 6.35: Driftgeschwindigkeit normal zur Grenzfläche in GaxIn1-xAs für pseudomorphe Verspannung auf GaAs als Funktion des elektrischen Feldes
\begin{figure}
 \epsfxsize0.90\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/GaInAs_GaAs_vE...
 ...n{center}\begin{minipage}{0.8\textwidth}{}\end{minipage}\end{center}\end{figure}


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Christian Koepf
1997-11-11