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4.1.3 Mechanische Spannung  

  Neben der Materialabhängigkeit der fundamentalen Größen ist der Einfluß mechanischer Deformation auf die Gitterstruktur aufgrund von Epitaxie gitterfehlangepaßter Materialien bedeutsam, da sie starke Konsequenzen für die Bandstruktur und damit den Stromtransport hat. Anschließend an die Definition des elastischen Verspannungszustandes für pseudomorphes Wachstum in Gestalt des Verzerrungstensors, wird die teilweise Relaxation der Gitterdeformation durch plastische Verformung (``strain relaxation'') behandelt.

Gitterfehlangepaßte Epitaxie bedeutet in der Folge, daß eine dünne Schicht (``epilayer'') mit vom Substratmaterial abweichender (ungestörter) Gitterkonstante a auf einem dickem Substrat mit Gitterkonstante $a_{\mathrm{sub}}$ so aufgewachsen wird, daß nur die Gitterstruktur des Epimaterials verändert wird (``strained layer'' ), das Substrat hingegen als starr betrachtet werden kann[*]. Schematisch ist dies in Abbildung 4.1 dargestellt. Die Gitterfehlanpassung  (``misfit'' ) ist definiert als

 \begin{displaymath}
 f_{0}= \frac{a-a_{\mathrm{sub}}}{a_{\mathrm{sub}}}\,.
\end{displaymath} (4.9)


  
Abbildung 4.1: Pseudomorphe Struktur gitterfehlangepaßter Halbleiter
\begin{figure}
 \epsfxsize0.6\textwidth
 \centerline{\epsfbox{ps/epitaxy.eps}}
 ...
 ...center}
 \begin{minipage}{0.7\textwidth} \end{minipage} \end{center}\end{figure}

Die Komponenten des Spannungstensors $\mbox{${\bf\underline{s}}$}$ (``stress'') und Dehnungstensors  $\mbox{${\bf\underline{e}}$}$ (``strain'') sind Funktionen der Fehlanpassung und der Orientierung der Materialgrenzfläche (``interface'') [90]. Im Fall der Epitaxie wird nur in der Ebene der Grenzfläche mechanische Spannung eingeprägt, die Komponente normal dazu ist Null (biaxiale Verspannung ). Der Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bleibt für epitaktisches Aufwachsen im Gültigkeitsbereich des Hookeschen Gesetzes (linearer Bereich). Dies ist ein Sonderfall der mechanischen Beanspruchung des HL Materials, da die bisweilen beträchtlichen Dehnungen/Stauchungen bis einige Prozent ausmachen können. Für herkömmliche makroskopische Anordnungen, wie etwa im Zugversuch, würde die Bruchgrenze schon weit überschritten. Gigantische Kräfte wären extern aufzubringen, um dieselbe Deformation wie die durch die Epitaxie eingeprägte zu erhalten. Dieses lineare Verhalten ist auch der Grund, warum oft in der Literatur Spannung und Verzerrung etwas ungenau synonym verwendet werden.

Die Verzerrungskomponenten parallel und senkrecht zur Grenzfläche sind

 \begin{eqnarray}
 e_\Vert& = & \frac{a_{\mathrm{sub}}-a}{a}\,, \\ 
 e_\perp& = & -\frac{1}{\nu_2}\;e_\Vert\,. \nonumber
\end{eqnarray} (4.10)

Die Verzerrung parallel zur Materialgrenze $e_\Vert$ (``in-plane strain'') hängt nur von den geometrischen Größen a und $a_{\mathrm{sub}}$ ab. Die Normalkomponente der Verzerrung $e_\perp$ ist proportional zu $e_\Vert$, wobei die Proportionalitätskonstante die Poissonzahl  $\nu_2$ definiert. Im vorliegenden Fall der biaxialen Verspannung ist die Poissonzahl neben den Elastizitätskonstanten cij wiederum abhängig von der kristallographischen Orientierung der Grenzfläche [89]. $\nu_2$ darf nicht mit der üblichen Poissonzahl $\nu$, die für uniaxiale Belastungen definiert ist, verwechselt werden. Da $a\approx a_{\mathrm{sub}}$ gilt

 \begin{displaymath}
 e_\Vert\approx -f_{0}\,.
\end{displaymath} (4.11)

Biaxiale Kompression ($a\gt a_{\mathrm{sub}}$) bedeutet $e_\Vert< 0$, Dehnung bedeutet positives $e_\Vert$. Erstere tritt zum Beispiel bei GaxIn1-xAs/GaAs auf. Bei GaxIn1-xAs/InP erhält man je nach Zusammensetzung Kompression (x<0.47) oder Dehnung (x>0.47). Für die technologisch wichtigste (001) Orientierung sind die Komponenten von $\mbox{${\bf\underline{e}}$}$ im Hauptachsensystem des kubischen Gitters

 \begin{eqnarray}
 e_{xx}&=& e_{yy}= e_\Vert\,, \\ 
 e_{zz}&=& -\frac{2\,c_{12}}{...
 ...e_\Vert\,, \nonumber\\ 
 e_{xy}&=& e_{yz}= e_{zx}= 0\,. \nonumber
\end{eqnarray} (4.12)

Für (111) Orientierung gilt

 \begin{eqnarray}
 e_{xx}&=& e_{yy}= e_{zz}=\frac{4\,c_{44}}{c_{11}+2\,c_{12}+4\,...
 ...{11}+4\,c_{12}}{c_{11}+2\,c_{12}+4\,c_{44}}\;e_\Vert\,. \nonumber
\end{eqnarray} (4.13)

Für (001) Orientierung verschwinden die Scherkomponenten exy, eyz, ezx.



 
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Christian Koepf
1997-11-11