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2.2 Simultane Streuung an zwei räumlich
ausgedehnten Störstellen

 Bis jetzt haben wir angenommen, daß das gestreute Elektron immer nur mit einer einzigen Störstelle wechselwirkt und haben dabei den Einfluß aller anderen Störstellen vernachlässigt. Wir haben also das Vielteilchenproblem auf ein Zweiteilchenproblem reduziert. Mit zunehmender Dotierung verringert sich der mittere Abstand zwischen den Störstellen (Anhang A), sodaß diese Näherung ihre Gültigkeit verliert. Wir wollen uns in weiterer Folge auf die Einfachstreuung eines Elektrons an zwei Störstellen beschränken, da das Streuproblem an mehr als zwei Zentren analytisch nicht mehr berechenbar ist. Streuung an zwei ungleichnamig geladenen Streuzentren (Dipol-Streuung) wurde schon in den 60er Jahren behandelt [Str62,Boa65,CG82,RM85]. Literatur zur Paarstreuung findet sich in  [Moo67a,Moo67b,GR78,MB83b,JF91,KT91,JF92]
 

Abbildung 2.1: Die Thomas-Fermi-Abschirmlänge (vgl. Anhang D) und der mittlere Abstand R als Funktion der Elektronenkonzentration n bei 300 K in unkompensiertem Si und GaAs.

\begin{figure}\psfrag{y-bs}{\hspace{-0.4cm}Abschirml\uml ange [$10^{-9}$\space ... ...ter}\vskip0.25cm\begin{center}\parbox{14cm}{}\end{center}\vskip1cm\end{figure}


Es mögen sich zwei Störstelle im mittleren Abstand $\vert\vec{R}\vert$ voneinander entfernt befinden. Die Berechnung des mittleren Abstands zweier benachbarter Störstellen ist nicht unumstritten, da sie von der Unterteilung des betrachteten Volumens abhängt. Eine physikalisch plausiblere Möglichkeit wird im Anhang A diskutiert. Die Ladungsdichte dieser benachbarten Störstellen lautet nach (2.1)

 \begin{displaymath}\rho (\vec{r},\vec{R}) = Z e\,\left[ \delta (\vec{r}) + \delta (\vec{r} -\vec{R}) \right] - 2\,\rho_{e} (\vec{r})\; ,\end{displaymath} (2.8)


wobei wir der Einfachheit halber nur Störstellen eines Typs angenommen haben. Das durch das Störstellenpaar erzeugte Potential lautet gemäß (2.5)

 \begin{eqnarray}V_{0}(\vec{r},\vec{R}) & = & -\frac{1}{4\pi\epsilon_{0}\epsilon... ...ert\vec{r} - \vec{R}- \vec{r'} \vert}\,{\mathrm{} d}\vec{r'} \; .\end{eqnarray} (2.9)


Die Poisson-Gleichung (2.4) für zwei Störstellen wird dann zu

 \begin{displaymath}\Delta V_{0}(\vec{r},\vec{R}) = -\frac{ Z e\,\left[ \delta (... ...\, \rho_{e} (\vec{r})}{\epsilon_{0}\epsilon_{\mathrm{sc}}}\; .\end{displaymath} (2.10)


Übergang in den Impulsraum nach (2.6) ergibt schließlich das Gesamtpotential zweier gleichnamig geladener, räumlich ausgedehnter Störstellen im Abstand $\vert\vec{R}\vert$

 \begin{displaymath}{\cal V}_{0}(\vec{q},\vec{R}) = -\frac{e}{\epsilon_{0}\epsil... ...\left( 1 + {\mathrm{} e}^{-i\vec{q} \cdot \vec{R}} \right)\; .\end{displaymath} (2.11)


Wäre die Störstelle im Vakuum, dann ergäbe (2.11) das Potential, an dem Leitungselektronen gestreut werden. In Silizium jedoch sind die Störstellen an einem Gitterplatz gebunden, sodaß vier Valenzelektronen gebunden sind. Daher bekommt man das effektive Streupotential, indem man von (2.11) noch jenes Potential abzieht, welches durch die Ladungsverteilung der Si-Atome erzeugt wird, da das Potential des Halbleiters in der Bandstruktur schon berücksichtigt ist. Das effektive Streupotential ist daher

 \begin{displaymath}{\cal V}^{\mathrm{eff}}_{0}(\vec{q},\vec{R}) = -\frac{e}{\ep... ...\left( 1 + {\mathrm{} e}^{-i\vec{q} \cdot \vec{R}} \right)\; .\end{displaymath} (2.12)


Der erste Term im Zähler stellt den effektiven Kernanteil, der zweite den Elektronenanteil am Streupotential dar. Durch die Annahme einer punktförmigen Störstelle wurde die Ausdehnung des Elektronenanteils immer vernachlässigt. Man beachte, daß im Falle von P-dotiertem Silizium der Elektronenanteil wirklich verschwindet, da ein einfach-ionsiertes P-Atom gleichviele Elektronen wie ein Si-Atom hat. Setzt man für Z und N die Werte des jeweiligen Halbleiters ein, so muß das Streupotential verschwinden, da in einem intrinsischen Halbleiter keine Störstellenstreuung möglich ist. In den bisherigen Überlegungen wurde das Vorhandensein von freien Ladungsträgern vollkommen vernachlässigt. Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, daß das effektive Streupotential in einem Festkörper wesentlich geringer ist, da frei bewegliche Leitungselektronen die ionisierte Störstelle teilweise abschirmen. Dadurch wird die effektive Ladung der Störstelle und damit deren Potentialstärke erheblich reduziert.


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Kaiblinger-Grujin Goran
1997-12-06